Die besten Charaktere 2009/2010
Platz 2: Tami Taylor (Friday Night Lights)

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In einer von Männern dominierten Kategorie hat es ausgerechnet ein weiblicher Charakter geschafft, sich ein zweites Mal in die Top 10 zu kämpfen – nicht sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es einfach viel zu wenig komplexe und überzeugende weibliche Rollen gibt, was durch jeweils zwei mickrige Platzierungen in dieser und der letzten Rückblickskolumne mehr als deutlich wird. Aber Tami Taylor aus "Friday Night Lights" ist ein derartiges Paradebeispiel für genial geschriebene und gespielte, authentische, starke Frauenfiguren, dass sie völlig zu Recht wieder in dieser Liste auftaucht und dieses Mal nur knapp am Spitzenplatz vorbeigeschrammt ist.

"Hey, I need some chocolate, please!"

Tamis Wunsch nach Nervennahrung ist während dieser Staffel wenig verwunderlich, wenn man mal kurz überschlägt, wessen Hass sie sich unverschuldet durch ihr richtiges und standhaftes Verhalten zugezogen hat. Da wären Joe McCoy und Mrs. Cafferty, die Boosters und alle anderen Eltern, deren Kinder unerhörterweise auf die East Dillon High wechseln müssen - ach ja, und natürlich ganz Dillon, das Tami nicht zuletzt via Radio persönlich dafür verantwortlich macht, dass die Panthers (Gott behüte!) eventuell nicht zur State fahren können. Kurzum, Tami ist der Buhmann schlechthin und das im wahrsten Sinne des Wortes, schließlich wird sie vor der versammelten Schule von der versammelten Schule ausgebuht, gemobbt und zum Rücktritt von ihrem Posten als Rektorin der Dillon High aufgefordert.

Was in der dritten Staffel schon mit dem Kampf "Jumbo Tron vs. Lehrmittel" angedeutet wurde, trifft Tami nun mit voller Kraft: Das einzige, was die Bewohner von Dillon interessiert und wofür sie sich einsetzen, ist der Erfolg des High School-Footballteams und eine Rektorin, die sich korrekt verhält, sich dem jahrelang tolerierten Betrug mit gefälschten Schüleradressen entgegenstellt und gespendetes Geld für Bildung statt Football ausgeben will, wird von der Schulbehörde kurzerhand aufs Abstellgleis gestellt und umgangen. Doch Tami bleibt ihren Prinzipien treu und lässt sich nicht einschüchtern, weder von Joes Bestechungsversuchen und Drohungen, noch vom Vandalismus und den offenen Anfeindungen, die ihr aufgrund der Schulteilung und deren Konsequenzen entgegenschlagen. Stattdessen setzt sie sich weiterhin dafür ein, den akademischen Anspruch der Dillon High zu verbessern und schafft es sogar, dass der Schule eine Auszeichnung in diesem Bereich verliehen wird.

Doch Tamis berufliches Hoch währt nur für kurze Zeit, denn nachdem sie der verzweifelten Becky in einem offenen und ehrlichen Gespräch sämtliche Möglichkeiten dargelegt hat, wie diese mit ihrer ungewollten Schwangerschaft umgehen kann, wird sie von Lukes extrem religiöser Mutter als Abtreibungsbefürworterin hingestellt, als Becky sich schließlich dazu entscheidet, das Kind nicht auszutragen. Mrs. Cafferty startet einen regelrechten Feldzug gegen Tami, der sie jegliche Sensibilität im Umgang mit Teenagern abspricht und vehement ihren Rücktritt fordert. Die Schulbehörde kann sich den wieder einmal völlig opportunistischen und immer lauter werdenden Stimmen gegen Tami nicht lange verschließen und fordert sie daraufhin auf, sich öffentlich mit einer vorgefertigten Erklärung zu entschuldigen, auch wenn sie nichts Falsches getan hat. Tami kommt zu der angesetzten Pressekonferenz, aber anstatt die Erklärung vorzulesen, nutzt sie die Gelegenheit, um klarzustellen, dass sie ihr Verhalten keineswegs bereut, weil das Wohlergehen ihrer Schüler für sie immer an erster Stelle kommen wird. Als sie daraufhin für sechs Monate suspendiert werden soll, zieht Tami die Konsequenzen: sie kündigt ihre Stelle als Rektorin der Dillon High und will stattdessen als Beratungslehrerin an der East Dillon High anfangen, da sie der Meinung ist, dort dringender gebraucht zu werden.

Durch ihren ständigen Kampf gegen die ungerechtfertigten und ungerechten Widerstände an der Dillon High hat Tami mindestens so sehr wie Eric und die Lions dazu beigetragen, dass man sich als Zuschauer absolut nicht mehr mit den Dillon Panthers und allem, was dazu gehört, identifiziert bzw. gar nicht mehr identifizieren will. Sie schafft es, die volle Sympathie zu erlangen und das eben nicht aus dem Grund, weil sie das Opfer dieser Anfeindungen ist, sondern weil sie sich bis zum Schluss weigert, diese Opferrolle anzunehmen und der footballverrückten Übermacht den Ring zu überlassen. Ihr letztendlicher Wechsel auf die East Dillon ist trotz allem notwendig und konsequent, um das "alte" FNL rund um die Panthers komplett abzuschließen.

Doch was noch viel wichtiger ist: Tami überzeugt nicht nur in ihrer beruflichen Storyline, daneben ist und bleibt sie Mutter und Ehefrau mit allen Sorgen und Ängsten. Es sind diese kleinen Momente, wie die durchweinte Nacht, weil sie keine Ahnung hat, wo ihre minderjährige Tochter sich aufhält oder ihre ständigen Auseinandersetzungen mit Eric ebenso wie ihr Spontan-Date mit ihm am See, die diesem Charakter die nötigen Ecken und Kanten und diese Menschlichkeit verleihen, dass man mit ihr in jeder Situation mitkämpfen, mitleiden, mitfiebern und mitstreiten will. Tami ist in dieser Staffel omnipräsent im besten Sinn und schafft es damit geradezu spielend, den Verlust so vieler Hauptdarsteller derartig auszugleichen, dass in der Erzählstruktur und der Atmosphäre der Serie kein Bruch zu sehen ist. Wie ich schon letztes Jahr geschrieben habe, bildet sie gemeinsam mit Eric das Herz von "Friday Night Lights" und das hat sie in der vierten Staffel in beeindruckender Weise untermauert – und sollte es in der fünften Staffel so weitergehen stehen die Chancen gut, dass im nächsten Jahr tatsächlich eine Frau an der Spitze der Top-Charaktere steht, wenn Tami Taylor das Triple perfekt macht.

Lena Stadelmann - myFanbase

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