Bewertung

Review: #2.06 Freind

Foto: Colton Haynes, Teen Wolf - Copyright: MTV/Bob Mahoney
Colton Haynes, Teen Wolf
© MTV/Bob Mahoney

Das war eine großartige "Teen Wolf"-Episode, eine der besten bisher, und das obwohl mit Scott und Derek überhaupt nur zwei der Werwölfe am Geschehen beteiligt waren. Dafür aber gab es einen überaus wichtigen Charaktermoment, der Scotts zentrale Rolle noch einmal untermauert, ein außergewöhnnliches und in der Art seiner Einbindung begeisterndes Setting, herrlich abstruse Entwicklungen rund um die Argents, und nicht zuletzt bot die Episode ein brillantes Showcase für Colton Haynes.

"Dude, everyone in here's a dude. I think we're in a gay club." - "Man, nothing gets past those keen werewolf senses, huh, Scott?"

Beginnen wir mit dem außergewöhnlichen und auffälligen Setting, dem Gay Club. In Beacon Hills gibt es eine Schwulendisco, die das Babylon in "Queer as Folk" vor Neid erblassen lässt. Das alleine ist für einen Ort wie Beacon Hills schon einmal herrlich erfrischend! Aber nicht nur das, die gesamte Präsentation der Sequenz in und rund um die Schwulenparty ist einfach perfekt gelungen. Wir begleiten Scott und Stiles in diese Disco, die dort Danny hineingehen sehen und befürchten, dass Jackson alias das Kanima diesem dort etwas antun will. Während Blitzmerker Scott einen Moment braucht, um die vielen gutaussehenden Jungs ohne Hemd einzuordnen, genießt Stiles bereits die Aufmerksamkeit dreier Dragqueens und fühlt sich dabei überhaupt nicht unwohl. Es sei Scott aber auch verziehen, schließlich sind schicke Jungs ohne Hemd in Beacon Hills an der Tagesordnung. Das Grinsen auf dem Gesicht des Zuschauers wird aber noch sehr viel breiter, als Scott und Stiles an der Bar ihre – wohlgemerkt alkoholfreien – Drinks von einem Verehrer ausgegeben bekommen und Scott ohne falsche Bescheidenheit angesichts dieses Komplimentes strahlt wie ein Honigkuchenpferd, während Stiles ihn um die Aufmerksamkeit richtiggehend beneidet. Ein solch entspannter, unproblematischer Umgang mit Homosexualität ist in einer TV-Serie und vor allem in einer Teenieserie durchaus immernoch etwas Besonderes und deshalb höchst erfreulich.

Besonders viel Herz bekommt die gesamte Sequenz noch zum Ende hin, in einer erneut großartigen Szene zwischen Stiles und seinem Vater. Sheriff Stilinski ist alles andere als erfreut, Stiles schon wieder am Tatort vorzufinden, weshalb Stiles es zunächst mit der Ausrede probiert, er sei schwul. Sein Vater entarnt dies aber angesichts Stiles' fragwürdigen Klamottengeschmacks sofort als Lüge, woraufhin Stiles erklärt, Scott und er hätten Danny beim Wiedersehen mit seinem Ex-Freund beistehen wollen, wofür der Vater gleichzeitig Verständnis, Mitgefühl und Anerkennung zeigt. Sheriff Stilinski ist der Beste, und es ist zu hoffen, dass viele viele Eltern von Teenagern sich bei ihm eine Scheibe abschneiden!

"The kanima seeks a master."

Wir wissen nun also seit der letzten Episode, was man vorher nur ahnen konnte: Jackson ist das Kanima. Er selber weiß dies jedoch noch nicht. In der letzten Episode konnte man seine erschrockene Reaktion auf die Schuppenbildung in seinem Nacken sehen, wusste aber nicht, inwieweit er selber sich dessen bewusst war, was mit ihm geschieht. Die Eröffnungsszene zeigte uns nun, dass die Verwandlung in die Reptilgestalt keine reine Freude ist und so ist es vielleicht verständlich, dass Jackson jegliche mögliche Erinnerung an die Gestaltenwandlung verdrängt. Danny kann die Videoaufzeichnung von diesem Prozess allerdings wiederherstellen, so dass das Kanima sich bedroht fühlt, denn offenbar will es nicht, dass sein Alter Ego über seine Killer-Eskapaden Bescheid weiß. Oder jemand anders will es nicht! Denn wie wir durch Lydias verehrungswürdige Alt-Latein-Kenntnisse erfahren, sucht das Kanima doch nicht nach einem Freund, sondern nach einem Meister.

Hier entstehen zwei naheliegende Fragen: Wer ist der Meister des Kanimas? Und wieso hat Ms. Morell bei der Übersetzung gelogen? Auf die zweite Frage will mir derzeit keine Antwort einfallen, denn obwohl Ms. Morell eine mysteriöse Figur ist, kann ich sie mir nicht als Meister des Kanimas vorstellen. Dafür wird ihr Charakter bisher weder zu beiläufig noch zu offensichtlich präsentiert. Als Meister kommen momentan dennoch verschiedene Personen infrage. Aus der Kategorie "beiläufig genug", um der Big Bad zu sein, passen zurzeit der Hobby-Fotograf aus der Schule und Lydias geheimnisumwobener neuer Verehrer, während aus der Kategorie "offensichtlich genug" beim aktuellen Stand der Dinge Gerard Argent und der Chemielehrer Mr. Harris zur Verfügung stehen. Angesichts des Momentes nach der Kampfszene am Anfang, als das Kanima für einen Augenblick Kontakt zu Gerard aufzunehmen scheint, oder genauer ausgedrückt, vor ihm zu kuschen scheint, wandert meine Tendenz derzeit zu Gerard Argent als Meister des Kanimas. Es wäre allerdings zugegebenermaßen glatt schon zu offensichtlich. Zudem erledigt Gerard seine Tötungen ja auch ohne zu zögern selbst, wieso also sich ein Monster anschaffen, dass ihm dieses Vergnügen abnimmt?

Jackson

Eine interessante Information über das Kanima lautet, dass ein wenig Dexter Morgan in ihm steckt. Es tötet nämlich angeblich nur Menschen, die ihrerseits auch schon getötet haben. Da komme ich allerdings nicht so ganz mit. Wen hatte Isaacs Vater getötet? Und wen hatte der Automechaniker getötet? Wäre die Differenzierung zwischen Jackson und dem Kanima dem Zuschauer durch die äußere Gestalt nicht eh schon erleichtert, unterstützt von der Tatsache, dass Jackson keine Erinnerung an das hat, was er als Kanima tut, so käme der Umstand, dass er nur böse Menschen tötet, jedenfalls noch als weiterer rettender Strohhalm, um die sich stetig anbahnende Sympathie für diesen Charakter wachsen zu lassen. Das Kanima mag vielleicht doch nicht nach einem Freund gesucht haben, das ändert aber nichts daran, dass Jackson ein einsamer Mensch ist, der nichtmal in der Lage ist, seinen Adoptiveltern, bei denen er seit elf Jahren lebt, gegenüber ein "Ich hab dich lieb!" über die Lippen zu bringen. Die gepflegte Arschloch-Haltung, mit der er regelmäßig seinen Mitschülern vor den Kopf stößt, ist nichts anderes als eine mühsam errichte Fassade, weil er sich nicht in der Lage sieht, eine enge Bindung zu einem anderen Menschen aufzubauen.

Und es ist niemand anders als unser Held Scott, der dies erkennt und sich in der großartigen Diskussionsszene mit Allison und Stiles im Wald für Jackson einsetzt. Scott ist in vielerlei Hinsicht nicht der Hellste, aber er hat das Herz am rechten Fleck und will um jeden Preis auch jenen helfen, die nicht gerade in der ersten Reihe standen, als Selbstlosigkeit verteilt wurde. Es ist also nicht nur im Vergleich zu anderen Mysteryserien, wo unermüdlich Mordszenarien erdacht werden, um Monster loszuwerden, so überaus erfreulich, dass das Töten des Kanimas bzw. Jacksons für Scott absolut nicht infrage kommt. Es ist auch einfach herzerwärmend zu sehen und hören, wie Scott sich für jemanden stark macht, den er als Freund betrachtet, der seinerseits Scott gar nicht mal unbedingt als Freund angesehen hatte. Und es steigert die Emotionalität dieser fantastischen Szene noch einmal um ein Vielfaches, dass Jackson alleine und gefangen in dem Polizeitransportwagen dasitzt und hört, was Scott über ihn sagt. Die Träne, die sich da in seinem Augenwinkel stiehlt, dürfte auch noch den letzten Stein zum Erweichen gebracht haben.

Colton Haynes, dem man in dieser Episode erst gar kein Hemd angezogen hat, bekommt hier wirklich eine wunderbare Gelegenheit, sich dauerhaft in die Herzen der Zuschauer zu spielen. Er spielt Jacksons verzweifelte Arroganz als Reaktion auf sein Ausgeliefertsein zum Niederknien. Jackson hat nicht nur keine Kleider, die ihn schützen, er ist auch noch mit Hand- und Fußschellen gefesselt, hat keine Ahnung, was los ist, hört mit an, dass seine ungeliebten Mitschüler seine Einsamkeit erkannt haben, und muss dann noch wehrlos mit ansehen, wie sich die Gestaltenwandlung zum ersten Mal bewusst vor seinen Augen vollzieht, während er verzweifelt versucht, aus seiner eigenen Haut heraus zu fliehen. Nur um ganz am Ende den Kreis zu schließen und in kompletter Arsch-Haltung Scott und Stiles beim Sheriff anzukreiden. Hut ab, Colton!

Randnotizen

  • Michael Hogan war ja schon als XO in "Battlestar Galactica" oftmals widerwärtig, aber Opa Argent ist durchgehend creepy. Muss man seine Enkelin in der Schule einem Lügendektortest unterziehen, bei dem man sich bedrohlich hinter ihr aufbaut und ihr die Finger an die Halsschlagader setzt? Einem solchen Großvater möchte man mal den Puls fühlen!
  • Die Argent-Invasion in der Schule ist so abstrus, dass sie schon wieder zum Lachen anregt. Und Mama Argent manifestiert in einem ihren Stand als unmütterlichste aller Mütter im liebevollen, ganz alltäglichen Mutter-Tochter-Ratschlag: "Remember, so long as you stay strong, we won't have to kill a 16-year-old boy."
  • Mama McCall hingegen fordert ihren Sohn auf, sich in der Schule anzustrengen, um nicht hängen zu bleiben. Schön, dass in "Teen Wolf" zwischen all den übernatürlichen, dramatischen Ereignissen sowas Profanes wie Leistungen in der Schule tatsächlich noch eine Rolle spielen!
  • Es war einen Moment lang irritierend, dass Lydia keine Ahnung hat, was um sie herum passiert. Aber es ist wahr, sie ist tatsächlich die letzte aus der Clique, die noch nicht eingeweiht ist. Viel herausstechender allerdings war der Moment, als Allison ihr – reichlich unsensibel – von der großen Liebe vorschwärmt und Lydia ihr mit einem kurzen Kommentar zu verstehen gibt, dass sowas noch längst nicht jeder mal erlebt.
  • Der mysteriöse Fremde, den bislang nur Lydia zu sehen scheint, ist so unbeschreiblich süß, da muss einfach irgendetwas faul sein! Und war die Blüte, die er ihr gab, eigentlich Wolfseisenhut?
  • Wieso kämpfen Werwolf und Reptil eigentlich mit den Fäusten gegeneinander? Klar, es stecken Menschen in ihnen, aber sähe es nicht viel besser aus, die Kampfszenen dem Kampfverhalten der entsprechenden Tiere anzupassen?
  • Mal abgesehen von all den grandiosen Sprüchen, die Stiles in dieser Episode wieder gebracht hat ("I'm 147 of pale skin and fragile bone, okay. Sarcasm is my only defence." oder "You're killing people. To death."), war auch der Moment ein großer Spaß, als Scott den aufwachenden Jackson im Auto k.o. schlagen musste. Es sind nicht zuletzt diese kleinen Details, die "Teen Wolf" so ungeheuer liebenswert machen. Scott tut es wirklich leid, Jackson in dem Moment zu auszuknocken, und es ihm tut danach auch ziemlich die Hand weh.

Fazit

"Teen Wolf" begeistert von Episode zu Episode mehr. Selbst wenn mal die Werwölfe ein wenig in den Hintergrund treten und sogar Fanfavorit Derek Hale so gut wie gar nicht zu sehen ist, dann hat die Serie immer noch soviel zu bieten, dass man locker von einer der besten bisherigen Episoden sprechen kann.

Nicole Oebel - myFanbase

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