Bewertung

Review: #4.09 Für dich

Foto: Danai Gurira, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Danai Gurira, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

"The Walking Dead" funktioniert immer dann am besten, wenn die Protagonisten schweigen und die bedrohliche, aussichtslose Atmosphäre die Episode dominiert. Nach dem blutigen Gemetzel, in dem der Gouverneur, einige gesichtslose Nebencharaktere und nicht zuletzt auch Hershel Green den Tod gefunden haben, erleben wir nun, wie zwei Parteien der Überlebenden des Gefängnisses mit den Nachwirkungen umgehen.

"We'll never get things back to the way they used to be."

Zum einen begleiten wir Michonne, die endlich etwas Profil erlangt. In einer kurzen Traumsequenz erfahren wir mehr über die kühle, sich abschottende Frau, als in allen anderen Episoden zuvor. Sie hatte Familie, einen Ehemann und einen zuckersüßen kleinen Sohn, der ihr durch eine falsche Entscheidung ihres Mannes, kurz nach dem Ausbruch der Seuche, genommen wurde. Seither zieht sie es vor, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und lässt niemanden mehr in ihr Leben.

Einsam sieht sie aus, als sie als einzige am Gefängnis zurück bleibt und dort gegen einige Beißer kämpft, nur um am Ende Hershel von seinem Leid als Zombiekopf zu erlösen. Gerade hatte sie sich auf die Gruppe eingelassen, hatte Anschluss gefunden und nun ist sie wieder alleine. Schließlich tut sie das einzige, das sie kennt - sie zieht weiter. Alleine. Im Schlepptau zwei Beißer, die sie ihrer Arme und Unterkiefer beraubt hat, um so einen gewissen Schutz vor den anderen menschenfressenden Dingern zu haben. Sie wirkt in dem Moment, als sie vom Gefängnis aufbricht, enttäuscht und niedergeschlagen, doch sie weiß auch, dass sie keine andere Wahl hat, als einfach weiter zu ziehen.

Auf ihrem Weg durch den Wald trifft Michonne schließlich Frau trifft, die ihr vom Aussehen her stark ähnelt. Und genau da spürt man zum ersten Mal so etwas wie Verzweiflung in ihr. Wütend beginnt sie, sämtliche Beißer nieder zu metzeln und entledigt sich dann sogar beiden an der Leine gehaltenen Schutzbeißer, nur um dann weinend zusammen zu brechen.

Hier trifft Michonne schließlich eine Entscheidung. Sie will nicht länger alleine leben. Sie braucht Kontakt zu anderen Menschen. Sie folgt ein paar Spuren im Wald und gelangt am Ende mehr oder weniger zufällig an das Haus, in das sich Rick und Carl verschanzt haben. Und ob des Anblicks der beiden Grimes-Männer beginnt sie zu lachen und zu weinen. Rick und Carl sind zu ihrer Familie geworden und sie ist glücklich, die beiden wieder in ihrem Leben zu haben. Das ist ein großer Moment für Michonne, die ansonsten eher kühl und distanziert wirkt und in dieser Episode zeigt, dass dies nur eine Maske ist, die sie trägt, um nicht noch mehr verletzt zu werden.

"I don't need you to protect me anymore."

Die beiden Grimes-Männer ist das zweite Gespann, das wir in dieser Episode begleiten dürfen. Rick ist von dem Kampf im Gefängnis schwer gezeichnet, nicht nur körperlich, sondern wie man später auch merkt, seelisch. Er hat zum wiederholten Male Menschen verloren, die sich auf ihn verlassen und steht nun vor der Frage, ob es sich noch lohnt, in einer Welt wie dieser zu leben.

Carl geht nach dem vermeintlichen Tod von Judith auf Abstand zu seinem Vater. Zwar begleitet er ihn weiterhin, doch für ihn hat Rick den Tod der Menschen im Gefängnis zu verantworten, da er lange die Gefahr des Gouverneurs ignoriert hat und lieber Farmer spielte, als etwas gegen den Mann zu unternehmen. Und das lässt er seinen Vater auch spüren. Er zeigt ihm die kalte Schulter, widersetzt sich dessen Anweisungen und wirft ihm am Ende auch vor, den Tod von Shane und Lori verursacht zu haben, weil er es einfach nicht fertig brachte, seine Rolle als Anführer richtig auszufüllen. Diese Konfrontation ist wichtig für die beiden, denn nur hierdurch schafft Carl es endlich seinem Vater die Augen zu öffnen und ihm klar zu machen, dass er versagt hat, weil er nicht wahrhaben wollte, dass es in einer Welt wie dieser keine Hoffnung mehr gibt und man nur mit Gewalt verhindern kann, dass man selbst oder seine Lieben darin umkommen. Es ist nicht das erste Mal, das Carl und Rick aneinander geraten, aber es ist das erste Mal, in dem der Streit laut wird und Carl kein Blatt mehr vor den Mund nimmt.

Als Rick schließlich in eine Art Koma fällt, kann Carl sich beweisen. Er rettet in dieser Zeit nicht nur seinen Vater vor dem sicheren Tod durch Beißer, sondern wächst in mehreren Situationen, in denen er zum ersten Mal vollkommen auf sich alleine gestellt ist, über sich hinaus. Er beginnt sogar vor sich selbst damit zu prahlen, dass er trotz verschiedener Zusammenstöße mit Beißern noch immer am Leben ist. Doch er muss dabei auch erkennen, dass er trotz aller Erlebnisse noch immer Angst hat. Dies zeigt sich vor allem in dem Moment, als er eines Nachts glaubt, Rick habe sich ebenfalls in einen Zombie verwandelt. Er kann seinen Vater, den Einzigen, den er in seinem Leben noch hat, nicht einfach gewissenlos töten und ist bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben.

Blickt man einmal zurück auf die ersten Episoden, so muss man feststellen, dass Carl mittlerweile wirklich kein kleiner Junge mehr ist. Wie auch Rick feststellen muss, ist Carl gezwungenermaßen zu einem Mann geworden, der für sich selbst sorgen kann. Gleichzeitig ist er in dem Moment, als er sich selbst eingesteht, dass er Angst hat, jedoch so kindlich, dass er sich nicht sehnlicher als seinen Vater an seiner Seite wünscht. Chandler Riggs spielt diese innere Zerrissenheit des Jungen, dem seine Kindheit entrissen wurde, unglaublich überzeugend. Hut ab vor dem Jungschauspieler.

Als am Ende Rick und Carl nebeneinander sitzen und Michonne von außen an die Tür klopft, da keimt sie plötzlich wieder auf, die Hoffnung, dass es noch so etwas wie Familie und Freunde gibt, für die es sich zu leben lohnt. Genau wie Michonne, die zu lachen beginnt, als sie die beiden Männer sieht, so muss Rick vor Erleichterung lachen, als er erkennt, dass sie sie gefunden hat. Am Ende haben sie immerhin keine andere Wahl als weiter zu leben. Da ist es beruhigen zu wissen, dass es Menschen gibt, mit denen man dieses trostlose Schicksal teilen kann.

Fazit

Es gibt kein Entkommen aus dieser apokalyptischen Welt. Das haben unsere drei Protagonisten nach dem Fiasko im Gefängnis schmerzlich lernen müssen. Nun stellt sich für alle Drei die Frage, ob es sich lohnt, in einer Welt wie dieser überhaupt leben zu wollen. Es gibt keine Hoffnung darauf, dass sich alles zum Guten wendet. Und trotzdem geben sie nicht auf, selbst wenn sie wissen, dass es aussichtslos ist.

Wie eingangs schon gesagt, "The Walking Dead" ist immer dann am besten, wenn man die ruhigeren Töne anschlägt und die Situation wirken lässt. Eine sehr schwermütige, aber auch unglaublich eindringliche Episode. So kann es gerne weitergehen.

Melanie Wolff - myFanbase

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