Bewertung

Review: #6.06 Wer die Wahl hat

Foto: Norman Reedus, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Norman Reedus, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Es ist an der Zeit, sich der letzten kleinen Gruppe zu widmen, die noch unterwegs ist. Das letzte Mal, als wir Sasha, Abraham und Daryl sahen, führten sie die große Gruppe der Beißer aus der Grube weit, weit weg von Alexandria. Sie sind die letzten, die noch nicht zurück gekehrt sind und mich beschleicht das Gefühl, dass wir eine richtige Reunion erst mit dem Winterfinale erleben werden.

"Ya'll don't think you're being stupid right now?"

Nachdem der Teil mit den Beißern ganz passable geklappt hat, bereiten sich die drei auf die Rückreise vor und tappen geradewegs in einen Hinterhalt einer weiteren Gruppe Überlebender, die natürlich alle ohne größere Schrammen passiert werden kann. Dummerweise wird man dadurch getrennt und wir verfolgen für den Rest der Episode zwei einzelne Geschichten.

Daryl trifft in einem verbrannten Ödland auf drei Überlebende, die es schaffen, ihn zu überwältigen. Notgedrungen lässt er sich von ihnen mitschleifen und erfährt dabei, dass sie von einer Gruppe anderer entflohen sind und sie es satt haben, andauernd auf die Knie zu fallen. Natürlich ist Daryls Leben niemals ernsthaft in Gefahr und er schafft es in einem unbeobachteten Moment, zu fliehen, nur um dann ein weiches Herz zu bekommen, als er sieht, dass eine der drei Überlebenden anscheinend einen insulinpflichtigen Diabetes hat und dringend Medikamente benötigt, die er versehentlich mitgenommen hat. Also tut er das einzig richtige und geht zurück.

Die Tatsache, dass Daryl nicht über seinen Schatten springen kann und tatsächlich noch immer ein gutes Herz hat, führt zu einer interessanten Szene, in der die Vier sich einem dem Zuschauer und auch Daryl unbekannten Feind gegenübersteht, der keine Flucht aus seinem "Regime" duldet. Wir erfahren nur wenig über die potentielle Bedrohung, doch vieles deutet darauf hin, dass es sich um eine Gruppe Überlebender handeln könnte, die eine Art Arbeitslager führen, in dem jedem eine gewisse Rolle zugewiesen wurde und man sich dorthin fügen muss. Die Bedrohung durch die Männer im Wald wird nie wirklich greifbar. Man hört einen Namen (Wade), sieht aber nie ein Gesicht zu dem Mann. Man merkt die Nervosität des Mannes an, der von Daryl versteckt wird, aber man hat keine Ahnung, was er und die beiden Frauen, die ihn begleiten, dort durchmachen mussten und wovor genau sie dort fliehen.

Es ist eigentlich keine große Geschichte, aber ich habe das Gefühl, dass eben dies Gruppe um Wade eventuell zu einer neuen Bedrohung für Alexandria werden könnte, wenn man die Situation dort erst einmal unter Kontrolle gebracht hat und sich der Wölfe entledigt hat. Die Männer um Wade wirkten bei ihrem kleinen Auftritt in dieser Episode auf jeden Fall abgeklärter und durchorganisierter als die Wölfe, die doch nur eine Ansammlung barbarischer Durchgeknallter sind, die planlos durch die Wälder streifen. Ich bin jedenfalls gespannt, ob wir sie eventuell noch einmal wiedersehen. 20 Meilen sind eine relativ kurze Entfernung nach Alexandria.

"If I’ve not gotten my psyche situated straight, it’s because the shit’s continually been hitting the fan."

Auch Abraham und Sasha überstehen den Überfall auf ihren Konvoi und können sich in einer nahe gelegenen, verlassenen Kleinstadt eine kleine Verschnaufpause gönnen. Sasha ist der Meinung, dass sie sich eben nicht auf die Suche nach Daryl begeben sollen, sondern darauf warten sollten, dass er sie wiederfindet.

Tatsächlich geschieht genau das am Ende der Episode. Bis es jedoch soweit ist, dürfen wir einen kleinen Blick in Abrahams Seelenleben werfen. Sasha bemerkt sehr schnell, dass etwas mit ihm nicht stimmt und spricht ihn direkt darauf an, erntet jedoch nur selbst Vorwürfe, dass sie sich nicht unter Kontrolle hat und ihre psychischen Probleme nur verdrängt. Tatsächlich wirkt Sasha hier in dieser Episode zum ersten Mal wieder wie sie selbst. Sie ist gefasst und hat nicht länger den Wunsch zu sterben. Sie redet besonnen und fordert Abraham auf, sich seinen eigenen Problemen zu stellen, lässt ihm jedoch genug Freiraum, dass er selbst eine Entscheidung treffen kann. Am Ende ist es eine Entscheidung für sein Leben und für ein gemäßigtes Leben in Alexandria.

Nach dem Fiasko mit Eugene verlor Abraham den Sinn seines Lebens, fand ihn dann wieder mit der Gruppe zusammen und gewöhnte sich daran, um sein Leben zu kämpfen. Jeden Tag in eine neue Situation zu geraten, die ihn forderte und ihn an den Rand des Todes brachte. Nun steht er vor einem Leben mit Zäunen, einem Dach über dem Kopf und Klimaanlage. Dies überfordert ihn. Für ihn ist die Aussicht auf eine gewisse Normalität schwer zu verkraften, einfach weil er glaubt, dass es so etwas wie Sicherheit in dieser Zeit nicht mehr geben dürfte.

Es dauert einige Zeit, bis er einsieht, dass er manches Mal weiter kommt, wenn er einen Schritt zurück macht. Dies führt in einer wahnwitzigen Szene dazu, dass er am Ende einen Raketenwerfer sein eigen nennen darf. Abraham und ein Raketenwerfer – eine interessante Kombination.

Fazit

Wieder eine sehr ruhige Episode, die vor allem in Daryls Segment wie ein potentieller Stichwortgeber für spätere Ereignisse wirkt und ansonsten kaum die Geschichte nach vorne bringt. Immerhin sind die Drei nun wieder auf dem Weg zurück nach Alexandria, im Gepäck einen Tanklaster und einen Raketenwerfer. Wäre da nicht die Stimme, die über Funk nach Hilfe ruft, ich hätte gesagt, in der nächsten Woche gibt es ein großes Wiedersehen und den spannenden Showdown mit den Wölfen. Doch das Winterfinale ist noch eine Episode entfernt und irgendetwas muss noch passieren, bis zum großen, richtigen Knall. Also warten wir ab, wer sich hinter dem Hilferuf verbergen könnte (und ich nenne hier jetzt ganz bestimmt nicht den Namen, der Person, die uns die Autoren glauben lassen wollen – langsam wird dieses "ist er tot oder hat er vielleicht doch überlebt" nämlich ermüdend und langweilig).

Melanie Wolff - myFanbase

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