Bewertung

Review: #6.10 Die neue Welt

Foto: Norman Reedus & Andrew Lincoln, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Norman Reedus & Andrew Lincoln, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Nach den dramatischen Ereignissen der letzten Episoden tut es "The Walking Dead" gut, mal einen etwas anderen, ruhigeren und vor allem leichteren Ton anzuschlagen. Man verzichtet darauf, die Aufräumarbeiten und die unmittelbaren Auswirkungen der Schlacht um Alexandria zu zeigen, beschäftigt sich daher weder mit Trauerarbeit um Verstorbene, noch um unmittelbare Sorge um Verletzte, sondern steigt nach einem Zeitsprung von mehreren Wochen in eine gut funktionierende Gemeinschaft ein, die dabei ist, sich selbst zu finden und dabei neue zwischenmenschliche Banden geknüpft hat.

"It should be someone who loved her. Someone who’s family."

Carl hat die Verletzung überlebt und ein Auge verloren, ansonsten scheint es ihm soweit eigentlich ganz gut zu gehen. Er kümmert sich weiterhin um Judith und verbringt viel Zeit mit Enid draußen in den Wäldern. Es wird nicht ganz klar, was er dort sucht und wieso er gerade außerhalb der Siedlungsmauern von Alexandria zur Ruhe kommen will. Warum er eben diesen Zufluchtsort sucht, wird nicht ganz klar, aber er ist an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit, denn er stolpert förmlich über eine zombifizierte Deanna und bringt sie schließlich zu ihrem Sohn Spencer, der seine Trauer über den Verlust seiner Mutter verarbeiten kann, indem er sie tötet und anschließend begräbt.

Es ist keine sehr große Geschichte, aber sie ist in sich geschlossen und beschäftigt sich abschließend dann eben doch noch etwas mit dem Thema Trauer, das zwar nicht zentrales Element der Episode ist, aber dennoch dem Zuschauer in Erinnerung ruft, dass Schmerz und Tod noch immer um die Ecke lauern, auch wenn die Mauern wieder hochgezogen sind, die unmittelbaren Bedrohungen besiegt sind und Ruhe eingekehrt ist in Alexandria.

Und dass Ruhe eingekehrt ist merkt man daran, dass alle Charaktere ansonsten so herrlich entspannt sind. Natürlich konzentriert man sich auf einige wenige und lässt beispielsweise den sicherlich immernoch schwelenden Konflikt zwischen Morgan und Carol einmal komplett außen vor. Stattdessen darf Maggie ganz kurz als mütterliche Anführerin auftreten und Enid klar machen, dass sie sich nicht zurückziehen sollte, wenn es so viele Menschen gibt, die froh sind, dass sie zurückgekehrt und geholfen hat, Alexandria zu retten.

"It is pretty stupid of us to go out there." "Yup. Do it again tomorrow?" "Yup."

Hätte man sich nur auf Zahnpasta-Engpässe und heile-Familie-Zusammenkünfte konzentriert, die Episode hätte schnell ins Langweilige abgleiten können. Den Hauptteil der Episode verbringen wir jedoch mit Rick und Daryl, die sich auf einen kleinen Roadtrip begeben, um nach Vorräten zu suchen und vielleicht auch neue Bewohner aufzugabeln, die sie in ihrer Gemeinschaft aufnehmen können.

Dabei ist interessant, wie sehr sich Rick durch die Ereignisse verändert hat. Er gibt zu, dass er mit einer sehr pessimistischen Sichtweise nach Alexandria gekommen war und kaum auf seine Freunde gehört hat, die ihm immer wieder klar gemacht haben, dass es für sie alle immer noch Hoffnung auf ein einigermaßen normales Leben gibt. Es ist einmal eine schöne Abwechslung, Rick so gelassen und entspannt zu sehen. Er hat die Situation unter Kontrolle und kann sich entspannt zurücklehnen, weil es keine Krisen zu meistern und Katastrophen zu verhindern gilt. Natürlich ist klar, dass diese Situation nicht ewig andauern kann, doch für einen kleinen Moment wirkt es so, als sei Rick mit sich im Reinen.

Auch Daryl hat sich verändert, wie Rick mehrmals anmerkt. Er versucht Rick zu verstehen zu geben, dass er mit seiner pessimistischen Sichtweise Recht hatte und sie tatsächlich niemanden in ihre kleine Familie mehr aufnehmen sollten, woraufhin Rick jedoch entgegnet, dass er sich getäuscht hat. Vielmehr hatte Daryl Recht, als er mit Aaron losgezogen war, um Menschen zu finden, die es Wert waren, Schutz zu finden.

Interessanterweise finden beide auf ihrem Trip nicht nur eine Menge Vorräte, sondern stoßen auch auf eine weitere Person, die sich als möglicher Verbündeter entpuppen könnte – Paul Rovia. Er taucht aus dem Nichts auf, als Rick und Daryl sich gerade genüsslich mit Limonade zuschütten und klaut mal eben ihren Truck voller Vorräte. Es entsteht eine kleine Verfolgungsjagd (zu Fuß! Laufen Daryl und Rick dem Truck hinterher) und am Ende landet er gefesselt und bewusstlos in Ricks und Daryls Wagen, auf dem Weg nach Alexandria.

Paul ist ein interessanter Charakter und nur sehr schwer zu durchschauen. Anders als andere Neuankömmlinge wirkt er auf den ersten Blick nicht wie der typische Antagonist, denn er stolpert zwar regelrecht in das Zweiergespann, doch er bedroht sie weder, noch zieht er seine Waffe. Er gibt vor, ein Einzelkämpfer zu sein, aber so recht will man ihm das nicht abnehmen. Auch Rick stellt fest, dass er viel zu gepflegt aussieht, um wirklich alleine auf sich gestellt in der Wildnis zu sein. Was also führt er im Schilde – er bedroht Rick und Daryl zwar nicht, stiehlt aber ihren Truck mit Vorräten, nur um später Daryl vor einem Beißer zu retten. Er hat also einen guten Kern, ist nicht darauf bedacht, nur zu töten und zu erobern, aber er führt definitiv etwas im Schilde. Was also hinter dem Mann steckt, dessen Freunde ihm einst den Namen Jesus gaben, das muss sich erst noch zeigen. Comicleser sind hier natürlich mal wieder im Vorteil, doch ich werde mich mit Mutmaßungen zurückhalten, denn man weiß ja nie, was Robert Kirkman sich für ihn hat einfallen lassen. Auf den ersten Blick wirkt Paul Rovia aka Jesus jedenfalls wie ein durchaus netter, liebenswerter Kerl. Aber das kann bekanntlich bei "The Walking Dead" ja auch täuschen.

"It's good to be home."

Das Ende der Episode ist dann doch recht überraschend und ich spreche nicht von der Tatsache, dass Jesus sich von seinen Fesseln befreien kann und des nachts vor Ricks Bett steht, um mit ihm zu sprechen. Vielmehr meine ich die unerwartete Wendung, dass Rick und Michonne miteinander im Bett landen.

Ich weiß nicht recht, was ich von der Paarung halten soll. Es gibt nur wenig romantische Momente in der SErie, weswegen gerade solche Szenen wie die zwischen Rick und Michonne etwas ganz besonderes sind. Und zweifelsohne haben die beiden eine gewisse Chemie miteinander. Und doch fühlt es sich am Ende etwas befremdlich an, als die beiden ihre Freundschaft auf eine neue Ebene heben. Mir hat bislang durchaus gefallen, wie die beiden miteinander interagiert haben und wie nahe sich die beiden im Laufe der Serie gekommen sind, hat man eigentlich immer wieder beobachten können. Doch mehr als eine tiefe Freundschaft habe ich persönlich noch nicht zwischen den beiden gesehen. Andererseits, warum sollte sich aus der gewissen Vertrautheit zwischen den beiden (mangels Alternativen) nicht etwas entwickeln. Sie kennen einander gut, kennen ihre dunkelsten Momente und haben trotz Meinungsverschiedenheiten stets zueinander gestanden und sich unterstützt, selbst wenn es bedeutete, jemandem mal eins über die Rübe zu ziehen, um ihn selbst vor Schaden zu bewahren.

Ich bin also gespannt, was aus dem Paar wird. Für eine einmalige Sache war die Szene von den beiden auf der Couch zu entspannt, doch ich bin sicher, dass ihre aufkeimende Beziehung nicht in den Mittelpunkt gerückt werden wird. Dafür wird Jesus schon sorgen, der eben kurz vor Ende der Episode vor dem Bett der beiden steht und Rick zu einem Gespräch bittet. Tolles Timing!

Randnotizen

  • Tara und Denise sind ein Paar. Das war angesichts der Ereignisse von vor ein paar Wochen eigentlich zu erwarten, doch es war nett mitanzusehen, wie die frisch verliebte Denise ein wenig unsicher nach einem kleinen Geschenk für ihre neue Partnerin gesucht hat, um diese glücklich zu machen.
  • Eugene verstehe ich im englischen Originalton manchmal einfach nicht. Ich frage mich, warum er eigentlich so eigenartig spricht.

Fazit

Der leichtere Ton steht "The Walking Dead" hin und wieder ganz gut und auch wenn es ein wenig unlogisch ist, gerade die beiden besten Männer, Daryl und Rick, auf einen Versorgungszug zu schicken und Alexandria damit unnötig in Gefahr zu bringen, so macht es Spaß, ihnen bei ihrem kleinen Road Trip zuzusehen. Und mit Jesus wurde gleichzeitig ein interessanter neuer Charakter eingeführt, der ja vielleicht neue Impulse für die kommenden Episoden setzen könnte.

Melanie Wolff - myFanbase

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