Bewertung

Review: #6.12 Die Nacht vor dem Morgen

Foto: Melissa McBride, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Melissa McBride, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Das Tempo der zweiten Hälfte in Staffel 6 bleibt weiterhin hoch. Nachdem in der letzten Episode quasi beschlossen wurde, die noch unbekannte Gruppe der Saviors anzugreifen, geht es nach einer kurzen Diskussion Schlag auf Schlag. Dass dabei nicht alles glatt laufen kann, ist bei noch vier verbleibenden Episoden in dieser Staffel eigentlich zu erwarten.

"You can do things that-- that just terrify me."

Zunächst jedoch kümmert man sich um die in den letzten Folgen sträflich vernachlässigte Carol. Sie war während des Ausflugs von Rick und den anderen nach Hilltop zurück in Alexandria geblieben und hat dort für einen Großteil der Bewohner Kekse gebacken. Soweit sogut. Die Rolle der Mutter der Siedlung steht ihr gut und dass sie problemlos zwischen braver Hausfrau und Killermaschine wechseln kann, das hat sie in den vergangenen Wochen eindrucksvoll bewiesen. Die Ereignisse rund um die Wölfe, sowie um ihren eskalierenden Streit mit Morgan haben Spuren bei ihr hinterlassen. Und die Tatsache, dass sie selbst nach Wochen nicht bereit ist, sich mit Morgan auszusprechen, noch möchte, dass seine Entscheidung, den Wolf in dem Keller gefangen zu halten, den anderen offenbart wird, zeigt jedoch auch Carols andere Seite. Auch wenn sie pragmatisch ist und bereit ist, das zu tun, was eben getan werden muss, so ist sie kein emotionsloser Mörder.

Carol hat eine der eindrucksvollsten Verwandlungen in der Serie durchgemacht. Sieht man sich die ersten Episoden von "The Walking Dead" an, so findet man dort eine ängstliche, zurückhaltende Frau vor, die sich von ihrem gewalttätigen Mann verprügeln lässt und sich unterordnet. Von dieser Carol ist sechs Staffeln später nichts mehr zu sehen. Sie hat Entscheidungen getroffen, manchmal aus eigenem Antrieb, oft jedoch (wie im Falle von Sophias Ableben) aus der Notwenidgkeit heraus, die sie zu einer sehr pragmatischen Frau haben werden lassen. Wenn es um die Sicherheit der Gruppe geht, dann ist sie bereit, moralische Bedenken zur Seite zu stellen und zu handeln. Dass sie ihre eigenen Taten jedoch nicht so einfach abhaken kann, zeigt die Tatsache, dass sie noch immer Buch über ihre Tötungen führt und sie nicht einfach abhaken kann, was sie getan hat.

Und wenn sie vor der Wahl stünde, welches Leben sie gerne führen würde, dann bekommt man hier einen ganz guten Einblick, was sie dann tun würde – sie backt Kekse und verteilt diese an die Bewohner Alexandrias, einfach nur um ein Lächeln zu ernten. Nein, Carol ist keine Killermaschine. Sie kann zu einer werden, wenn es die Situation erfordert, doch in ihr schlummert ein friedliebender Mensch. Und genau aus diesem Grund will sie auch Morgan nicht an die anderen verraten und hat auch Rosita, Tara und Eugene verpflichtet, den Mund zu halten. Sie kann Morgans Standpunkt verstehen, auch seinen Wunsch nach friedlichen Lösungen. Doch sie weiß eben auch, dass es manchmal nicht anders geht und man sich zur Wehr setzen muss.

Und genau deswegen sagt Carol auch nichts, als Rick in der Kirche den Bewohnern mitteilt, dass sie in den Krieg gegen die Saviors ziehen werden. Morgan ist der Einzige, der sich mal wieder gegen Rick stellt und zu Bedenken gibt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt als aufzutauchen und alle Abzuschlachten, doch er weiß auch, dass er auf verlorenem Posten steht, weswegen er am Ende auch in Alexandria zurück bleibt, während ein Großteil der Gruppe aufbricht, um zu Morden. Carol selbst nimmt an dem Gemetzel auch nicht Teil, sondern bleibt mit Maggie zurück, um auf sie aufzupassen

Dass ausgerechnet Carol und Maggie, die beiden, die nicht in den eigentlichen Angriff involviert sind, mal wieder für den Cliffhanger herhalten müssen, ist vorhersehbar, aber angesichts der Tatsache, dass wir noch vier Episoden in dieser Staffel entgegenfiebern dürfen, eigentlich auch nachvollziehbar.

"We have to come for them, before they come for us."

Die eigentliche Haupthandlung, die diese Episode vorantreibt, ist der Angriff der Gruppe auf die Savior. Es ist das erste Mal, das Rick und die anderen proaktiv werden und nicht einfach nur auf eine Bedrohung reagieren. Bislang wurden sie mit gefährlichen Situationen konfrontiert und mussten sich zur Wehr setzen, nun bietet sich mit dem Angriff auf die Saviors eine vollkommen andere Dimension – sie werden zu Angreifern auf eine Gruppe, die sie überhaupt nicht kennen. Obwohl - Ganz so ist es ja nun auch wieder nicht. Daryl, Sasha und Abraham durften bereits Bekanntschaft mit Negans Männern machen und Jesus scheint ein so netter und aufrichtiger Kerl zu sein, dass man ihm und seinen Leuten einfach glauben muss, dass es sich bei den Saviors um brutale Killer handelt, denen man Einhalt gebieten muss.

Dass es jedoch etwas anderes ist, jemandem im Schlaf zu ermorden anstatt in einem Kampf oder Duell, zeigt sich in dieser Episode sehr, sehr eindrucksvoll. Glenn zögert, jemandem einfach ein Messer in den Schädel zu stecken, während dieser hilflos in seinem Bettchen schlummert. Er ist kein Mörder und dass es ihn belastet, zeigt nur, dass er noch einen großen Teil seiner Menschlichkeit behalten hat. Er weiß jedoch auch, dass er keine andere Wahl hat, will er Maggie und seinem Kind eine Zukunft schenken. Beachtlich finde ich jedoch die Szene, als er Heath davon abhält, den selben Schritt gehen zu müssen.

Dass bei dem Angriff am Ende irgendetwas schief gehen muss, war ja eigentlich klar. Einer der Saviors schafft es, Alarm auszulösen, so dass der durchgeplante, lautlose Angriff am Ende mal wieder in einer bombastischen Materialschlacht endet, die jedoch (vorerst) jeder einigermaßen heil überlebt. Es gelingt Ricks Gruppe selbst im Kugelhagel noch den Überblick zu behalten und den Großteil der Saviors kalt zu machen, wenngleich natürlich durch die Geiselnahme klar wird, dass sie ihr Ziel nicht erreicht haben. Negan ist nicht unter den Getöteten, genausowenig wie sie alle Saviors erwischt haben. Mit ihrem Angriff haben sie sich einen mächtigen Feind geschaffen, das dürfte jetzt klar sein. Zwar hat Rick Recht, irgendwann hätten Negan und seine Leute wohl auch Alexandria gefunden und sie „versklaven“ wollen, doch dieses Mal sind sie selbst Schuld, dass mal wieder einige Mitglieder der Gruppe in eine heikle und potentiell lebensbedrohliche Situation geraten sind.

Randnotizen

  • Carol beginnt mit Tobin zu flirten, der Respekt vor ihrer Brutalität hat. Das kommt aus heiterem Himmel und ist eigentlich vollkommen überflüssig. Klar, man will zeigen, dass Carol auch eine sanfte Seite hat, aber ob es dazu eine vollkommen aus heiterem Himmel kommende Annäherung mit einem sekundären Charakter braucht, sei dahingestellt.
  • Anders ist da die Beziehung zwischen Denise und Tara, die weiterhin unglaublich süß anzusehen ist. Tara hat keine Probleme damit, Denise zu sagen, dass sie sie liebt, während Denise zwar das gleiche fühlt, sich ihre Liebesbekundung jedoch aufheben will, bis Tara von ihrem Versorgungslauf mit Heath zurückkommt. Das Paar wirkt unglaublich sympathisch, so dass man hoffen muss, dass Tara heil zurückkehren wird.
  • Die Suche nach einem Beißer, der Ähnlichkeit mit Gregory hat, ist witzig und lockert die ansonsten sehr düstere Episode ein wenig auf. Vor allem die Szene, in der Rick auf den abgetrennten Kopf einschlägt, weil die Nase nicht ganz passt, sorgt für den ein oder anderen Schmunzler.
  • Auch Gabriel hat eine eindrucksvolle Szene, in der gezeigt wird, dass er seine Todessehnsucht und seinen Groll gegenüber der Gruppe endlich abgelegt hat. Er meldet sich nicht nur für den Kampf gegen die Saviors, ihm ist es dieses Mal sogar möglich, einen von ihnen zu erschießen. Sein bester Auftritt ist jedoch, als er kurz mit Rick spricht und dieser ihn darauf anspricht, warum er immer noch sein Priesteroutfit und den Kragen trägt, damit kommentiert, dass es ihn daran erinnert, wer er ist – und dass er dann bei Dunkelheit schlechter gesehen wird, was ein Vorteil sein könnte. Ernsthaft – ich hab herzhaft gelacht.
  • Abraham hat Rosita verlassen, was eigentlich nur konsequent für ihn ist, angesichts der Tatsache, dass er dabei ist, sich in Sasha zu verlieben. Dennoch ist die Art und Weise, wie er es tut, furchtbar. Er packt seine Sachen und sagt Rosita nach einigem Drängen eiskalt ins Gesicht, dass er nur mit ihr zusammen gekommen ist, weil er eine Zeit lang dachte, sie sei die letzte Frau auf der Welt. Nun hat er erkannt, dass sie das nicht ist – Autsch! Was für ein Arschloch

Fazit

Die Folge kann im Großen und Ganzen mit interessanten zwischenmenschlichen Situationen punkten und gipfelt dann in einem Angriff auf die Saviors, der spannend inszeniert ist und so ausgeht, wie man es vermutet. "The Walking Dead" findet allmählich zu alter Stärke zurück und man darf gespannt sein, was für das letzte Drittel der Staffel noch alles angedacht ist.

Melanie Wolff - myFanbase

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