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Review: #1.02 Zwischen Leben und Tod

Foto: Rachel DiPillo & Oliver Platt, Chicago Med - Copyright: Elizabeth Sisson/NBC
Rachel DiPillo & Oliver Platt, Chicago Med
© Elizabeth Sisson/NBC

Nach dem großartigen Serienauftakt von "Chicago Med" bleibt den Zuschauern nicht viel Zeit, die Geschehnisse sacken zu lassen. Vielmehr werden sie mit #1.02 Zwischen Leben und Tod sofort mit den nächsten dramatischen und emotionalen Fällen konfrontiert. Dabei lernen wir die einzelnen Charaktere noch etwas besser kennen.

Ärztin sein – Mutter werden

Bereits beim Fall des kleinen Mädchens in der ersten Folge hat sich gezeigt, dass Natalie Manning immer mehr Muttergefühle für ihr noch ungeborenes Kind entwickelt. Das macht sie in meinen Augen zu einer sehr guten Ärztin, die das Menschsein trotz des Berufes nicht vergessen hat. Allerdings passiert es dadurch auch sehr leicht, dass man viel eher Entscheidungen mit dem Herzen trifft. Gerade dann, wenn es eigentlich von Vorteil wäre, eher mit dem Kopf zu entscheiden. Wie sehr Natalie schon im Muttermodus ist, hat auch der jetzige Fall um die junge Erika gezeigt. Mit 14 Jahren Mutter zu werden ist schon hart, dann aber noch alleine zu sein bzw. eine Schwester zu haben, der ihre Karriere wichtiger ist, spricht eben auch nicht für eine intakte schwesterliche Beziehung. Vielleicht wäre es für Erika und besonders auch Natalie besser gewesen, sich nicht allzu sehr mit der familiären Situation auseinander zu setzen. Das klingt hart, hätte aber den beiden eine Menge Energie gespart. Ich kann mir vorstellen, dass Erika von Anfang an gewusst hat, nicht bei ihrer Schwester unter zu kommen. Es ist sicherlich nicht grundlos so, dass die beiden keinen Kontakt miteinander haben. Dadurch wurde Erika nur noch bewusster, alleine zu sein. Für mich persönlich war es schon klar, dass sie aus dem Krankenhaus fliehen wird. Denn mal ehrlich: Welche Optionen hätte sie denn gehabt? Das Heim oder im schlimmsten Fall das Gefängnis. Somit ist es schon logisch, dass sie wieder den Weg nimmt, auf dem sie vorher auch schon gewesen ist: Die Straße und auf sich alleine gestellt zu sein. Ich frage mich allerdings, ob sie es nicht doch irgendwann bereuen wird, ihr Kind zurückgelassen zu haben. Auf der anderen Seite zeugt ihre Entscheidung auch von großem Verantwortungsgefühl, indem sie ihr Baby im Krankenhaus ließ und sicherlich davon überzeugt ist, dass man gut für das Kind sorgen wird und es damit eine bessere Zukunft als Erika selbst haben wird.

Bei dem Fall um Erika musste auch Natalie einige Kritikpunkte ihrer Kollegen einstecken. Einer davon war der von Will Halstead, der meinte, sie solle wie eine Ärztin denken und auch handeln. Zugegeben, wirklich Unrecht hatte er mit seiner Aussage nicht. Je weiter der Handlungsstrang mit Erika und ihrem Baby gesponnen wurde, desto offensichtlicher wurde es, wie sehr Natalie sich danach sehnt, selbst ein intaktes Familienleben zu haben. Wie wir in der Pilotfolge traurigerweise erfahren mussten, ist ihr Ehemann tödlich verunglückt. Umso verständlicher ist es daher auch, dass Natalie gewissermaßen ihre Wünsche auf die Patienten projiziert. Dass das für die ein oder andere Streitigkeit unter den Kollegen sorgt, liegt dabei ganz klar auf der Hand und ich muss sagen, ich kann Wills Argumentation dazu vollkommen verstehen. Wobei man ja sagen muss, dass sowohl Will als auch Natalie eigentlich nur im Sinne des Kindes bzw. der Kinder gehandelt haben. Schließlich wollte auch der Oberarzt nur dafür sorgen, dass Dougs Kinder ihren Vater nicht verlieren. Schön, dass dann auch Natalie ein Einsehen hatte und darüber hinaus auch erkannt hat, dass sie mit ihren Kollegen, Freunden und ihrer Schwiegermutter eine Familie hat, auch wenn es nicht unbedingt ihre Wunschvorstellung einer Familie ist.

Vom Hypochonder zum Pflegefall

Als Arzt hat man sich dazu verpflichtet, Leben zu retten und darauf sogar einen Eid geschworen. Dieser besagt eben, alles Mögliche dafür zu tun, um den Menschen ein langes Leben zu verschaffen. Aber auch Ärzte sind in ihren Fähigkeiten begrenzt. Damit stellt sich die Frage: Ab wann ist es ratsam, den Dingen ihren natürlichen Laufen zu lassen. Ob sich Will dieser Frage bewusst war, weiß ich nicht. Obwohl sein Fall für mich sehr vorhersehbar gewesen ist, konnte er mich doch über lange Strecken überzeugen. Schon als man das Ehepaar Doug und Jenna kennen lernte war klar, dass man sie in dieser Folge noch einmal sehen wird und es wahrscheinlich keinen allzu positiven Ausgang nehmen wird. Da "Chicago Med" nicht die erste und garantiert auch nicht die letzte Krankenhausserie sein wird, die ich gesehen habe, war mir spätestens bei der zweiten Einlieferung von Doug klar, dass er kein Hypochonder ist, sondern etwas hat, was sich nur schwer diagnostizieren lässt. Demnach musste es so kommen, dass er lange Zeit ohne Sauerstoff gewesen ist und Doug letztlich ein Pflegefall wird, wofür man Will Vorwürfe macht. Letzteres kann man sogar irgendwie nachvollziehen. Am Anfang hat man mitbekommen, dass Jenna sich darüber beklagt, dass ihr Mann bei keiner Tätigkeit im Haus behilflich ist und alles an seiner Frau hängen bleibt. Durch die dazugekommene Pflege ihres Mannes, lastet noch vielmehr Arbeit auf ihr. Im ersten Moment klang es zwar von Jenna sehr herzlos, aber wenn man länger drüber nachdenkt, so kommt man zu dem Entschluss, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, Doug sterben zu lassen.

Auch wenn Will noch immer darüber nachdenkt, was er übersehen haben könnte, gehe ich davon aus, dass ihn dieser Fall zu einem noch besseren Arzt machen wird, der sich eben nicht für Gott hält und darum bemüht ist, jedes Leben zu retten. Sondern der erkennt, ab welchem Zeitpunkt das Leben für den Patienten nicht mehr lebenswert ist. Nichtsdestotrotz hat seine Rettungsaktion dazu beigetragen, dass ich ihm etwas mehr Sympathie entgegen bringen konnte. Noch besser hätte es mir gefallen, wenn man noch eine kleine versöhnliche Szene zwischen ihm und Natalie eingestreut hätte, doch vielleicht war er dazu noch nicht bereit.

Schatten der Vergangenheit

In der ersten Folge haben wir einige neue Charaktere kennen gelernt, darunter auch Connor Rhodes. Ich muss sagen, dass ich diese Figur schon jetzt interessant finde. Das liegt vermutlich auch einfach daran, wie man den Charakter eingeführt hat. Wie es von einem Arzt erwartet wird, half er bei dem großen Unglück erst einmal den Verletzten. Aber auch später im Krankenhaus machte er auf mich den Eindruck, als tue er sich schwer damit, jemanden um Hilfe zu bitten. Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht, bis zu dieser Folge.

Auch wenn man nur eine sehr kurze Szene für Connor und seinen Vater Cornelius Rhodes genutzt hat, zeigte sie doch, wie die beiden zueinander stehen. Für mich wird der Charakter dadurch nur noch interessanter. Ich bin gespannt, zu welchen Mitteln Connor greifen wird um a) seine Vergangenheit nicht preis geben zu müssen bzw. diese zu überdenken und b) was er unternimmt, um so wenig wie möglich Kontakt zu seinem Vater zu haben, dem offenbar sehr daran gelegen ist, wieder einen Schritt auf seinen Sohn zu zugehen. Allerdings frage ich mich auch, ob hinter diesem Wunsch nicht doch noch etwas ganz anderes steckt. D.W. Moffett macht in dieser Rolle keinen sehr sympathischen Eindruck auf mich und ich befinde mich noch immer im Zwiespalt, ob mir das charaktertechnisch gefallen wird oder eben nicht. Warten wir es mal ab.

Willkommen zurück im Leben

Der nächste vorhersehbare Fall war der rund um Carol und ihrem Mann Tom. In gewisser Weise hat es mich sehr erschreckt, dass Sarah Reese nicht bemerkt hat, dass die Frau an Demenz erkrankt ist. Spätestens als sie vom Strand gesprochen hat, war klar, dass vielmehr im Argen liegt als ein Sturz. Dennoch muss ich den Autoren ein Lob aussprechen. Denn durch Sarahs Unwissen hat man einige tolle Momente zwischen ihr und Daniel Charles hervorgebracht. Bereits in der letzten Folge hat man den Arzt als eine Art Vaterfigur oder viel eher noch als Mentor dargestellt und ich muss sagen, dass es ihm wahnsinnig gut steht und ich hoffe insgeheim, er möge weiterhin der jungen Frau an die Seite gestellt werden. Er hat sozusagen Sarah an die Hand genommen, wie auch Ethan Choi, der sich ihm später anvertraut hat, nachdem er Erika in Sicherheit vor der Polizei wusste und sie auf den richtigen Weg geführt hat, was mir gut gefiel. Ohne ihn hätte sie wohl nicht erkannt, dass Carol gar nicht an Demenz erkrankt ist.

Dass man dem Paar helfen konnte, war dann auch nur eine Formsache. Nachdem man Gehirnwasser gezogen hat, konnte sich Carol wieder an ihr Leben mit Tom erinnern. Es sei den beiden von ganzem Herzen gegönnt. Gerade bei ihm konnte man immer wieder schön mitansehen, wie sehr er seine Frau trotz der vermeintlichen Krankheit liebt und nur einen Wunsch hat: Das Strahlen ihrer Augen bei einem besonderen Song zu hören. Dass man Sarah hier nochmal glänzen sah, war ein toller Abschluss, der gezeigt hat, dass sie zwar noch naiv und ängstlich im Umgang mit medizinischen Sachen ist, aber sehr um das Seelenheil der Patienten und deren Angehörigen bemüht ist, wofür sie ein Lob von Daniel bekommen hat. Kurz möchte ich noch erwähnen, dass mich Sarah sehr an Dr. John Carter aus "Emergency Room" erinnert, der am Anfang seiner Arztkarriere ein ähnliches Profil von den Autoren bekommen hat. Und wer die Serie bis zum Schluss verfolgt hat, weiß auch, wie großartig sich Carter im Laufe der Zeit entwickelt hat. Ich gehe mal davon aus, dass es sich bei Sarah so ähnlich verhalten wird. Vorausgesetzt natürlich, die Serie und sie bleiben solange bestehen.

Sharon Goodwin

Ich gestehe: Ich bin ein Fan von Sharon Goodwin! In dem damaligen Backdoor-Pilot, der Episode #3.19 Am Limit von "Chicago Fire", war sie mir noch nicht sonderlich sympathisch, was wohl an der gesamten Situation lag. Doch wenn man sie in "Chicago Med" erlebt, tritt sie ganz anders in Erscheinung. Bisher hat man sie zwar nur bei der Arbeit erlebt, doch sie macht einen sehr sympathischen und authentischen Eindruck. Ich hoffe, man bekommt bald etwas mehr von ihr zu sehen.

Fazit

Nicht ganz so stark wie die Pilotfolge kann "Chicago Med" trotz vorhersehbarer Fälle auch mit der zweiten Folge punkten und tiefere Einblicke in einige Charaktere geben. Warten wir mal ab, wie sich die Serie noch entwickeln wird. Bisher macht mir das Schauen Spaß, obwohl ich mich doch gelegentlich dabei erwische, Vergleiche zu "Emergency Room" zu ziehen.

Daniela S. - myFanbase

Die Serie "Chicago Med" ansehen:


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