Bewertung

Review: #1.03 Carpe Diem

Als ich den "Club der toten Dichter" zum ersten Mal gesehen habe, war ich Schülerin im Teenager-Alter. Ich war im Nu Feuer und Flamme für den Film und stand im Nullkommanichts in der Buchhandlung, um mir die im Film referenzierte Literatur zu besorgen. Auch heute noch, fast eine Dekade später, finde ich den "Club der toten Dichter" inspirierend. Umso erfreuter war ich, dass die aktuelle Folge von "Community" dem Werk einen augenzwinkernden Gruß zugesandt hat.

Nutze den Tag!

"Community" wäre allerdings nicht "Community", wenn es nicht einen Weg finden würde, mit der Filmvorlage zu spielen. In der Serie spielt sich Professor Eustice Whitman als Robin Williams' Rollenfigur im "Club der toten Dichter" auf. Eigentlich obliegt ihm die Lehre von Buchführung – statt Zahlen möchte er seinen Studenten aber lieber das Leben lehren. Diese wiederum sind allerdings nicht die nach Lebensweisheit dürstenden Schäfchen, für die er sie hält. Die meisten möchten einfach nur schnell und bequem gute Noten einsacken. Dies gilt insbesondere für Jeff.

Die Serie nähert sich dabei dem Film in einem Spagat zwischen Parodie und Hommage an. Der gebrochene Tisch, die wenig altehrwürdig wirkende Umgebung in Greendale, Jeffs funkelnde Krawatte, der Drachenflug – all dies ist als eine satirische Entblößung des Originals zu verstehen. Das Konzept funktioniert allerdings nur bedingt, denn "Carpe diem" ist an dieser Stelle zu lebensnah, als dass man es als reinen Witz verwerfen könnte. Jeff z.B. möchte seine Zeit in Greendale totschlagen und dabei möglichst wenig tun. Dabei könnte er, wo er schon in Greendale festsitzt, ganz einfach auch sein Leben genießen. Zu Recht gerät er in Whitmans Visier.

Aufgrund der Mischung aus Parodie und Lebensweisheit ist der "Carpe diem"-Plot eine stark gemischte Angelegenheit und weder Fisch noch Fleisch. Besser wäre es gewesen, wenn die Serie sich auf eine der beiden Seiten geschlagen hätte. Trotzdem hat dieser Handlungsstrang sehr starke und ulkige Momente, allen voran John Michael Higgins als Professor Whitman gibt eine sehr markante, glaubwürdige Figur ab. Ob nun die Dialoge zwischen Jeff und dem Professor oder die Interpretation von "Carpe diem" unter den Studenten: Trotz einiger Schwächen bot ein Highlight dem anderen die Hand.

Sprachrohr Film

Britta hilft ihrem Studienfreund Abed beim Nutzen des Tags ganz profan, indem sie ihm die Filmkurse zahlen möchte. Interessant ist, dass man Britta hier in einer ganz anderen Paarung zeigt, da sie vorher vornehmlich nur in der Kombination mit Jeff zu sehen war.

Dieser Handlungsstrang bietet viel Stoff fürs Herz und schießt gleichzeitig aus allen Rohren mit würzigen, witzigen Sprechzeilen. Beim Versuch, alle Zitate oder Dialogausschnitte aufzuschreiben, die mir aufgefallen sind, musste ich irgendwann resignieren – so hoch war die Komikdichte.

Brittas selbstgefällige Hilfsbereitschaft wird ironisch ad absurdum geführt, als Abed ihr Geld für Pizza und Latte Macchiato ausgibt, sie in seinem Film als seine Mutter besetzt und überhaupt nicht so reagiert, wie sie sich das für ihn ausgemalt hat. Die Dialoge zwischen Britta und Abeds Vater stellen dabei echte Höhepunkte dar. Arrogant unterstellt sie ihm, kulturell bedingt ein Misogyn zu sein, nur um am Ende als Rassist dazustehen: Die Probleme zwischen Abed und seinem Vater sind nicht religiös oder kulturell bedingt, sondern rein psychologischer Natur. Abeds Vater hat all die Jahre seinen Sohn insgeheim für den Weggang von Abeds Mutter verantwortlich gemacht.

"Community" hat hier alle mit einem "Pustekuchen!" bedacht, die einen Rollencharakter sahen und sofort vermuteten, dass er einen Stereotyp repräsentiert. Dieser Konflikt zeigt viele Hintergründe von Abed und arbeitet seinen Charakter heraus. Man versteht, warum Abed zeit seines Lebens Zuflucht im TV gesucht hat. Britta indes darf sich in ihr Stammbuch schreiben lassen, dass man ab und zu seine Schablone beiseitelegen muss.

Vielleicht geht der Lernprozess von Abeds Vater am Schluss zu schnell vonstatten, aber Abeds pragmatische, zurückgenommene Art und die schnelle Abhandlung verhindern, dass die Szene in zu rührselige Gewässer abdriftet.

Highlights und Kuriositäten

  • Trivia: Professor Eustice Whitman trägt den gleichen Nachnamen wie Walt Whitman, ein im "Club der toten Dichter" häufig erwähnter Poet.
  • "Community" grüßt "Glee":

    Abeds Vater ist Direktor Figgins in Glee.

  • Hoch lebe der Feminismus. Mit freundlichen Grüßen, Mr. Britta:

    "That's right. I'm a woman. With rights. And you can see my whole face."

  • Geheimnisse einer Ehe:

    "Because I wasted 15 years of my life on a man who left me with nothing but stretchmarks and a foggy memory of two bland orgasms and now it’s time to get what’s mine."

  • Joel McHales Erzfeind Ryan Seacrest muss sich warm anziehen:

    "You, go host American Idol."

  • Wie charmant:

    "I’m doing a documentary. They’re like real movies but with ugly people."

  • Terrorismus trifft Imbissbude:

    "9/11 was pretty much 9/11 of the falafel business."

  • Krimineller Modegeschmack:

    "Why are you dressed like an '80s rapist?"

Fazit

"Community" hat eine sehr solide Folge abgeliefert, die mit viel Wort- und Sprachwitz glänzen kann. Eine intelligente Zeile jagt die andere. Insgesamt wirken manche Enden aber lose. Der Folge fehlt das gewisse Etwas, das sie in einen Klassikerzustand heben würde; sie ist nur ein Sprungbrett für die Charakterentwicklung der involvierten Rollen. Aber diese Sprungbretter braucht man eben, um eine Serie mit vielen echten Persönlichkeiten zu entwickeln und witzig wie vergnüglich ist die Folge allemal.

Eva T. - myFanbase

Die Serie "Community" ansehen:


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