Bewertung

Review: #18.15 Auf dem Prüfstand

Wenn sich in dieser Folge sowieso alles um Tests dreht, dann spielen wir das Spiel doch einfach mal mit: Wer sind die Gewinner*innen, wer die kolossalen Verlierer*innen dieser Episode? Prinzipiell lässt sich das auch ganz gut auf die Staffel an sich übertragen, aber der Einfachheit halber werde ich meine Beurteilung nur auf diese Folge beziehen, ich will ja – im Gegensatz zu Bailey – fair bleiben.

Bailey

Bailey ist ohne Frage die große Verliererin dieser Folge. Nicht nur, dass sie sich privat völlig übernehmen zu scheint, auch beruflich kann sie die Probleme, mit denen das Krankenhaus sich seit Beginn dieser Staffel herumschlägt, weiterhin nicht lösen. So steht und fällt das Schicksal des Grey Sloan Memorials weiterhin mit dem Anheuern zusätzlicher Ärzt*innen – was extrem ironisch und bitter ist, da das Ausbildungsprogramm eigentlich den Test sehr gut besteht und gerade für sein Lehrprogramm und die Gemeinschaft zwischen Auszubildenden und Oberärzt*innen gelobt wird. Gewissermaßen ist das allerdings gerechtfertigt, weil die Chefin des Krankenhauses sich wie ein absolutes Kleinkind verhält und ihren langjährigsten Mitarbeiter*innen, Webber wie Meredith, die Hölle heißmacht. Gerade ihre harten Worte Meredith gegenüber sind ein weiteres Armutszeugnis für diesen Charakter, der sich bereits in vergangenen Staffeln durch ungerechtes und anmaßendes Verhalten gegenüber seinen ehemaligen Schüler*innen ausgezeichnet hat. Somit war weder der Inhalt noch die Heftigkeit von Baileys Worte für mich überraschend, sondern eher Merediths Reaktion, dass Bailey noch nie so mit ihr geredet habe. Hat Meredith Baileys Verhalten in Staffel 8 vergessen, als sie sich monatelang weigerte mit ihr zu arbeiten? Oder als Bailey ihr ebenfalls ohne Verständnis begegnete, als Meredith in Staffel 16 die Klage am Hals hatte? Auch wenn ich ihr wahrlich keinen zweiten Herzinfarkt wünschen würde, so hoffe ich, dass man diesen Tiefpunkt nutzt, um Bailey endlich aus diesem Fehler lernen zu lassen – obwohl ich es ehrlich gesagt bezweifle, dass dies geschehen wird.

Meredith

Gewissermaßen muss ich Bailey aber recht geben: Merediths Entscheidung, nach Minnesota zu ziehen, scheint weniger dem Wunsch zu entspringen, sich von ihrem Assistenzärztinnen-Ich zu emanzipieren, als sich voll und ganz auf die Beziehung zu Nick einzulassen. Der gemeinsame Fall der beiden, der tatsächlich die Innovativität des Lehrprogramms bewies, zeigte deutliche Parallelen zu ihrem Verlust von Derek auf. Nachdem Meredith erst in der letzten Staffel so wirklich ihren Frieden mit Dereks Tod schließen konnte und darüber hinaus mit Andrew noch die erste Person verloren hat, die sie nach Derek geliebt hat, scheint sie nun das Gefühl zu haben, einen Neuanfang mit einem neuen Mann an ihrer Seite zu brauchen. Ihr Argument, umziehen zu müssen, weil sie sich sonst nicht im Krankenhaus entwickeln könnte, kann man getrost als nicht haltig interpretieren. Immerhin hat Meredith die größten Erfolge ihrer Karriere an diesem Krankenhaus erreicht und dort den Harper-Avery-Award gewonnen, ist dort zu der bekannten Ärztin geworden, die, um es mit Hamiltons Worten auszudrücken, größer als ein einziges Krankenhaus ist und für viele der Assistenzärzt*innen der Grund ist, in Seattle zu arbeiten. Somit hat Bailey unwillentlich Meredith eine Ausrede verschafft, nicht Nick als Anlass anzugeben, Seattle zu verlassen. Ist Meredith nun eine Gewinnerin oder eine Verliererin dieser Folge? Bei mir geht die Tendenz eher zur Verliererin, doch das liegt wahrscheinlich einfach daran, dass ich Nick weiterhin eher uninteressant finde und nicht ganz die Verbindung der beiden spüre.

Webber

Als den ersten großen Gewinner möchte ich dafür allerdings Webber küren, der nicht mehr und nicht weniger als seinen Job macht. Das heißt: Er sorgt dafür, dass sein Urteilungsvermögen und sein Können geprüft wird, um keine Belastung für seine Schüler*innen zu sein, er versucht in Ruhe, Konflikte mit Bailey anzugehen, er stellt das Wohl seiner Schüler*innen vor das eigene und riskiert das Bestehen des Testes, um sich für Schmitts einzusetzen. Dazu wird Richard wohl die stärkste Szene der Folge verpasst, als er ein Plädoyer für das Unterrichten junger Assistenzärzt*innen halten darf und beweist, warum diese weiterhin ihn als wichtigsten Lehrer und Ratgeber empfinden. Da war es tatsächlich kein Wunder, dass er den Test mit Bravour besteht. Zugegeben: Ab und zu fremdle ich auch mit der Figur Webber, aber Folgen wie diese demonstrieren, warum er weiterhin die gute Seele des Krankenhauses repräsentieren darf.

Schmitt

Es hatte sich ja schon abgezeichnet, dass uns eine bekannte Figur für die gemeinen Kommentare gegen das Grey Sloan verantwortlich war. Dabei hatte ich aber instinktiv auf einen der Ärzt*innen getippt und war dann doch überrascht, dass es ausgerechnet Levis Mutter war, die für die Untersuchung schlussendlich verantwortlich ist. Dass sie sich über diese Enthüllung daraufhin mit Levi verstreitet und kopfüber die Treppe hinunterfällt, ist natürlich typisches "Grey's Anatomy"-Kino und sorgte dementsprechend für den ersten von mir prophezeiten ersten Schritt für Levis Rückkehr in den OP. Angesichts der Verletzungen seiner Mutter kann Levi über sich hinauswachsen und kann, angeleitet von Webber, sie so weit stabilisieren, dass ihr Leben am Krankenhaus gerettet werden kann. Auch wenn das alles sicherlich für ihn traumatisch war, Levi scheint sich auf dem Weg der Besserung zu befinden und darf damit zu den Gewinnern gerechnet werden.

Jo

Jo tritt in dieser Episode nur wenige Minuten auf, zählt für mich aber zu den klaren Gewinnerinnen. So konnten ihre Worte als bestes Argument für das Lehrprogramm des Krankenhauses bestechen. Während sich Owen, Teddy und Co. durcheinanderbringen lassen, lässt sich Jo am wenigsten von den Fragen der Prüfer*innen irritieren und räumt gleichzeitig mit Vorurteilen gegenüber ihrem neuen Fachgebiet auf. Nachdem ich zugegebenermaßen in der letzten Staffel selbst noch meine Zweifel darüber hatte, ob diese Veränderung Jo wirklich guttun würde, hat mich diese Folge wieder eines Besseren belehrt und mich darin bestätigt, dass Jo weiterhin eine der stärkeren Figuren der Serie ist.

Link

Link hingegen hat sich von einem meiner absoluten Favoriten zu einer sehr unangenehmen, ständig um sich selbst kreisenden Person entwickelt, die sich von einer immer unreiferen Weise zeigt. So kann er auch in dieser Folge nicht seine Frustration darüber verstecken, dass sein Leben einen ganz anderen Weg eingeschlagen hat und wird ausfällig gegenüber Kai, als Kai lediglich versucht, mit ihm normale Konversation zu betreiben. Warum Link weiterhin die beleidigte Leberwust spielen muss und ihm keine Storyline verpasst wird, die es ihm erlaubt, sich endlich von Amelia zu lösen und sich zurück zu seinem entspannten, liebenswürdigen Ich der vorherigen Staffeln zu entwickeln, bleibt mir schleierhaft. So wünsche ich mir nicht mal mehr eine Wiedervereinigung mit Amelia, nachdem dies zum Ende der letzten Staffel noch ein großer Wunsch von mir war.

Kai

Irgendwie sind aber alle Love Interests von Amelia verflucht, oder? Nicht nur, dass Caterina Scorsone gefühlt mit jeder*m anderen Darsteller*in unglaubliche Chemie aufweist, nein, sobald Amelia sich in jemand Neues verliebt, kann man sie sich mit niemand Anderem mehr vorstellen. So wird in dieser Folge erneut bewiesen, dass Kai eine unglaublich sympathische Person ist, die mit genügend Fingerspitzengefühl aber auch Humor mit sich und ihren Mitmenschen umgeht. Kais Verständnis gegenüber Amelias und Webbers enges Verhältnis sowie die süßen Aufmunterungsversuche während des Tests haben es wieder einmal mehr geschafft, dass ich Kai in mein Herz geschlossen habe – und Hamilton nicht ganz so anstrengend wie sonst empfunden habe. Fraglich bleibt jedoch nur, ob nach Meredith auch Amelia ein Angebot von Minnesota bekommen wird. Generell bleibt dieses Angebot etwas ominös und ungerecht, da es bis jetzt eigentlich immer so gewirkt hat, dass der Erfolg von Hamiltons OP vor allem Amelias und Kais Verdienst war. Ein Angebot an Amelia, so ungern ich sie auch an Minnesota verlieren würde, wäre dementsprechend nur angemessen – und würde der Beziehung mit Kai eine gerechtere Chance geben. Im Moment habe ich weiterhin den Eindruck, dass Kais freiheits- und selbstbestimmtes Leben wenig mit Amelias Verpflichtungen als Mutter einhergehen kann.

Die Folge insgesamt

Dass ich mit der Staffel an sich fremdle, ist wohl kein Geheimnis mehr: zu sehr ist die Staffel von dem von mir bevorzugten entspannten und humorvollen Ton der ersten Folgen abgewichen, zu wenig widmet man sich den Handlungssträngen mit Potenzial (Owens Sterbehilfe dabei vorweggenannt). Die Richtungen, in denen sich Figuren wie Link oder Bailey entwickeln, sagen mir allesamt nicht zu, während an anderen Stellen die großen Highlights, wie in der Beziehung von Meredith und Nick, fehlen und ich des Öfteren das Gefühl habe, dass wir uns im Kreis drehen. Dennoch konnte die Folge durch die Storylines um Webber oder Figuren wie Kai punkten und auch die Gestaltung muss hervorgehoben werden: Die Collage, in der Baileys und Webbers Erfahrungen am Krankenhaus mit Webbers und Levis Interviews zusammengeschnitten wurden, hat mir sehr gut gefallen. Eine Bewertung fällt mir damit, wie auch bei meinen letzten Reviews, weiterhin schwer: Denn per se ist die Folge nicht schlecht, nur habe ich mich am Ende nicht hundertprozentig abgeholt gefühlt.

Lux H. - myFanbase

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