Bewertung

Review: #19.11 Ein Tag mit Folgen

Katastrophenmehrteiler, mitten in der Staffel? Ich bin mir etwas unsicher, glaube aber, dass seit Callies Autounfall in der 7. Staffel solche Episoden vorwiegend um die Midseason-Premiere oder das Staffelfinale angesetzt waren. In den ersten Staffeln hingegen wurde die Katastrophenfolgen meistens gegen Ende der zweiten Hälfte ausgestrahlt und wirbelten so einiges durcheinander - buchstäblich, wenn man an die berühmte Bombenfolge denkt oder auch an die Fährenunglücksepisoden, in denen Merediths Leben mehr als einmal auf dem Spiel stand. Somit findet man in dieser Staffel nicht nur auf inhaltlicher Ebene zu den Anfängen der Serie zurück, sondern auch auf einer strukturellen und inszeniert wohl mit dieser Folge den dramaturgischen Höhepunkt dieser Staffel.

Dass ausgerechnet Addison, deren Leben bis jetzt noch in keiner vorherigen Staffel in Gefahr schwebte, Merediths Job und die Nahtoderfahrung übernimmt, mutet dagegen etwas seltsam an. Schließlich ist Kate Walsh, zu unser aller Trübsal, nicht Teil des Hauptcasts, sondern lediglich Special Guest Star - und staubt trotzdem die emotionalste und stärkste Storyline dieser Staffel ab. Mit dieser Folge setzt sich Addisons Kampf für das Abtreibungsrecht und Frauen in Not fort und kann wieder auf dramatischer, wie inhatlicher Ebene vollends überzeugen.

Es ist schmerzhaft zu sehen, wie Addison durch ihr Unterfangen, gynäkologische Hilfe in Staaten zu ermöglichen, die die Abtreibung verbieten, in das buchstäbliche Schussfeld erzkonservativer Aktivist*innen geraten ist. So wird sie zwar durch ein großes Medienecho als medizinische Heldin verehrt, gleichzeitig werden aber sie und ihre Familie verfolgt, bedroht und attackiert. Addison ist gezwungen, eine schutzsichere Weste zu tragen, sie ist Opfer von Cyberangriffen – sämtliche Stärke, mit der sie in diesen Kampf gestartet ist, ist ihr abhandengekommen. Nicht mal Seattle bietet ihr einen sicheren Hafen, denn die Protestierenden sind ihr gefolgt und belagern die Klinik, werfen Steine durch die Fenster und treffen dabei Blue. Und so ist es nicht verwunderlich und berührend zu sehen, wie sich Addison vollkommen niedergeschmettert und verängstigt in den Schrank zurückzieht und sich nicht imstande sieht, den jungen Ärzt*innen, die extra für sie nach Seattle gekommen sind, um von ihr zu lernen, Hoffnung zu spenden.

Auftritt Miranda Bailey, die wohl seit langem nicht mehr so sympathisch und bei sich selbst wirkte wie in dieser Staffel. Mit einer großartigen, wieder gefundenen Sensibilität und Wärme schafft sie es nicht nur die Lage in der Klinik zu kontrollieren, sondern das Personal und die Ärzt*innen dort zu beruhigen und für Addison da zu sein. Und wer hätte gedacht, dass "The Lion sleeps tonight" sich als ein so genialer Geburtssoundtrack entpuppen würde? So schafft sie es auch, Addison schließlich zu zeigen, wie wunderbar ihr Job sein kann, sodass Addison spontan bei der Entbindung eines Babys hilft. Bailey präsentiert sich als großartige Freundin und Ärztin und zählt zu den großen Highlights dieser Folge.

Das andere Highlight ist wohl Teddy, die allen beweist, was für eine großartige Chefin und Krisenmanagerin sie ist. Mich stört zwar Webbers Überraschung diesbezüglich (haben etwa alle vergessen, dass sie Baileys erste Wahl als Interimschefin war und nicht Alex?), doch freut es mich umso mehr zu sehen, wie Teddy entschlossen und spontan gute Entscheidungen treffen und die Lage im Griff behalten kann. Na ja - bis zum Schluss natürlich.

Es war wohl wenig überraschend, dass sich die Situation nicht einfach durch gutes Management und mehr Security auflösen ließ und dennoch ist mir der Atem etwas stecken geblieben, als das Auto auf Addison und die schwangere Assistenzärztin zugerast ist und die beiden mit voller Wucht umgefahren hat. Die tragische Ironie dabei besteht darin, dass die Assistenzärztin selbst für ihr Schicksal verantwortlich ist, schließlich hatte sie mit einem Post die Protestierenden auf Addisons Fährte gebracht. Mit der nächsten Folge wird sich zeigen, ob die beiden diese Attacke überleben werden, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass Addison das alles überstehen wird. Diese Episode hat mir dafür zu sehr auf große Emotionen und einen dramatischen Soundtrack gesetzt, um eine Heldinnenreise für Addison zu inszenieren. Würde sie nun sterben, würde das vielleicht eine dementsprechend aufrüttelnde Wirkung haben und Addison quasi zur Märtyrerin für eine größere Sache machen, gleichzeitig würde das aber, meiner Meinung nach, die falschen Signale senden. Wie diese Folge (und die Kommentarsektionen unter Clips und Beiträgen zu ihr) mehr als deutlich gemacht hat, sind die USA gespaltener und Frauenrechte bedrohter denn je - ein Tod Addisons würde sich wie ein Eingeständnis an die Menschen anfühlen, die in Addison tatsächlich eine Mörderin sehen.

Die anderen Storylines setzen in dieser Folge größtenteils aus oder werden durch den ebenfalls sehr überzeugenden Patient*innenfall der lungenkranken Jessica bestimmt, deren Freund und Lungenspender in einen Autounfall geraten ist. Das war eine wirkliche süße und berührende, wenn auch nicht besonders originelle Storyline, die dennoch mit einigen guten Moment aufgefahren ist. Insbesondere Winstons chirurgisches Geschick sticht hier hervor, der sich nun auch von Owen sagen muss, dass er sein Talent für die Herzthoraxchirurgie nicht an den Nagel hängen soll. Ob Winston vielleicht klein beigibt und doch mit Maggie weiter arbeiten wird? (Spoiler: Ich vermute mal eher: Nein) Die wiederum ist genervt von Lucas, der weder seine Pflichten in der WG noch seinen Job im Griff hat und mit der Betreuung von Patientin Jessica überfordert ist. Hier kann dafür Nick zu ihm durchdringen, der sich erneut als großartiger Lehrer zeigt, Lucas Mut machen und zu neuen Höchstleistungen führen kann. Es hat mich wirklich überrascht, Scott Speedman wieder sehen zu dürfen, hat Nick doch für mich ohne Meredith keine wirkliche Daseinsberechtigung in der Serie. Immerhin scheinen sie noch losen Kontakt zu haben, was jedoch ihre verfahrene Situation nicht weiter auflöst. Vielleicht traut sich Nick ja auch hier seinem neuen Schützling Lucas an, der mit Simone ähnliche Probleme hat. Zwischen den beiden hängt weiterhin eine gewisse Spannung in der Luft, gegen die sich Simone mit einem beherzten Rennen in Treys Richtung zu wehren versucht. "Spontan" verschiebt sie die Hochzeit nach vorne. Auweia, wenn das nicht nach hinten losgehen wird. Am besten hat mir hier die sich anbahnende Freundschaft mit Jules gefallen, die sich immer mehr zu meiner neuen Lieblingsanfängerin entwickelt und einfach einen entspannten und angenehmen Humor zu haben scheint.

Fazit

Dramatische Szenen, die nicht aktueller und wichtiger sein könnten und ein mutiges und erschrockenes Statement für das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper abliefern, Figuren, die zu Höchstleistungen auflaufen und tolle Entwicklungen durchmachen, gepaart mit einer kleinen Prise Humor und berührenden Charaktermomenten - fertig ist das Rezept einer wirklich starken Episode. Und dieser Folge gelingt es wirklich nur zu gut, dieses Rezept umzusetzen. Der zweite Teil dieses Katastrophenmehrteilers, der nächste Woche ansteht, muss nun wirklich hohe Erwartungen erfüllen.

Lux H. - myFanbase

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