Bewertung

Review: #10.15 Was wir entsorgen

Die neue Krankenhauspolitik sorgte zu Beginn eigentlich eher für Kopfschütteln, schließlich wirkt es auf den ersten Blick schon ein wenig lächerlich, erwachsenen Menschen vorzuschreiben, mit wem sie keine sexuellen Beziehungen eingehen dürfen. In dieser Folge wird aber einiges klarer und es kommen ein paar nachvollziehbare Argumente auf den Tisch. Darüber hinaus liegt der Fokus endlich auf Arizona, deren Entwicklung in den letzten anderthalb Staffeln zum ersten Mal zusammenhängend erläutert wird.

The Echoes Of Things Unsaid

Mit dem Patientenfall rund um ein Mädchen, welche sich gerne einer beidseitigen Beinamputation unterziehen würde, gestaltet sich der Arbeitstag für Arizona und Callie alles andere als leicht. Hier packt man allerdings die Gelegenheit beim Schopf und widmet vor allem Arizona viel Screentime, um zu zeigen, wie sie mit der Situation umgeht. Bisher hatte ich eher den Eindruck, dass Callie immer im Mittelpunkt steht und ihr Verhalten erläutert wird. Arizonas Trauma nach dem Flugzeugabsturz wurde weniger intensiv behandelt, was einem vor allem nach ihrem Seitensprung bewusst wurde. Plötzlich kam all ihre Wut und Frustration ans Licht, obwohl ihr Heilungsprozess abgeschlossen schien. Das wäre eigentlich ein guter Zeitpunkt gewesen, um von da an Arizonas Bewältigung ihres Traumas zu zeigen, was aber leider nur ansatzweise umgesetzt wurde. Während Callies Perspektive in #10.09 Entschuldigungen deutlich aufgezeigt wurde, sorgte Arizonas Verhalten eher für Verwirrung, weil dem Zuschauer die nötigen Antworten fehlten.

Nun wird Arizona jedoch endlich der Raum gegeben, den ihre Storyline erfordert. Dabei zeigt sich, wie ähnlich die Bedürfnisse von Callie und Arizona sind, da beide erst einmal wieder herausfinden mussten, wer sie eigentlich sind. Für Callie war es wichtig, sich wieder Zeit für sich selbst zu nehmen und die Bedürfnisse des Partners nicht immer an erster Stellen zu setzen. Arizona hingegen musste damit klar kommen, eine andere, nicht mehr konstant fröhliche Person zu sein. Am Ende dieser Folge konnte sie genau das Callie und dem Zuschauer verständlich machen. Die traumatischen Ereignisse haben sie verändert und sie wollte nicht das Gefühl haben, sich dafür bei ihrer Frau entschuldigen zu müssen. Jetzt ergeben ihre Worte aus #10.12 Aprils großer Tag einen Sinn. Sie möchte einfach, dass sie Callie so nimmt, wie sie jetzt ist. Und das Ende verspricht, dass sich die zwei hoffentlich endgültig all die wichtigen Dinge gesagt haben, um jetzt einer gefestigten Ehe entgegenzublicken.

Am Rande sei hier noch erwähnt, wie großartig die kleine Szene zwischen Arizona und Cristina gewesen ist, als sie über ihre Alpträume wegen des Flugzeugabsturzs geredet haben. Das Thema hätte in der Vergangenheit ruhig öfter angesprochen werden können und zuweilen wirkt es so, als hätten die meisten Überlebenden (und die Autoren) diese Katastrophe schon längst vergessen. Dementsprechend war es rührend mitanzusehen, wie die beiden ihre Erfahrungen und diesen zuversichtlichen Moment teilen, indem Arizona Cristinas Hand drückt.

New Politics

Mit ihrer eingereichten Beschwerde hat sich Leah keine Freunde gemacht oder zumindest verlor sie dadurch bei mir ihre durchaus vorhandenen Sympathiepunkte. Ihre Motivation wirkte eher unreif, so als wollte sie, dass jemand bestraft wird, nur weil sie so unfair von Arizona behandelt wurde. Dieser Eindruck trügt allerdings, denn es kommt zu einer überraschenden Enthüllung. Leah klagt gar nicht Arizonas, sondern Callies Fehlverhalten an, die Leah aus dem OP geworfen hat. Und Callie gibt Leah durchaus Recht, womit die neue Krankenhauspolitik ihre Vorteile zeigt. Sie zwingt die Ärzte dazu, einzusehen, dass das Lehrprogramm der Assistenzärzte oder auch die Patienten nicht unter dem Privatleben der Chirurgen leiden dürfen. Es sind nun mal vor allem die Assistenzärzte, die zwischen den Oberärzten hin und her geschoben werden, je nachdem, wen man gerade lieber vermeiden möchte. Jedem sollte klar sein, dass ein Krankenhaus so nicht ewig funktionieren kann. Da das Grey + Sloan Memorial allerdings eine Brutstätte für private Differenzen ist, braucht es anscheinend so einen drastischen Schritt wie eine offizielle Beschwerde, um alle Ärzte auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen.

Jo und Alex hilft diese Politik natürlich gar nicht und sie taten mir schon in den letzten beiden Folgen sehr leid. Hier scheint es jedoch eine Hintertür zu geben, die Meredith möglich gemacht hat. Sobald er und Jo einen sogenannten Liebesvertrag (das klingt herrlich absurd!) unterzeichnen würden, wäre ihre Beziehung auch am Arbeitsplatz legitim. Alex' Unsicherheit steht ihm zwar noch im Weg, da er seine Freundin nach dem missverstandenen Heiratsantrag nicht schon wieder überrumpeln möchte, aber von Jos Seite aus sehe ich da keine größeren Probleme. Es ist nicht schön, so einen offiziellen Vertrag unterschreiben zu müssen, aber im Endeffekt ist es doch nur wichtig, dass sie gemeinsam arbeiten und sich küssen dürfen.

Stephanie hatte die Lacher auf ihrer Seite, als Nicole, die ehemalige Kollegin von Matthew, sie dazu auffordert, doch mal April mit der Trage anzufahren, so wie sie es vorher schon unbeabsichtigt mit Arizona getan hat, und dann ausgerechnet Jackson das nächste Opfer ist. Darüber kann sich Nicole ebenso freuen und Stephanie kassiert den Applaus des versammelten Krankenhauspersonals, was einfach nur zum Schießen ist. Matthew hat jedenfalls gekündigt und überlässt es Nicole, böse Blicke an April und Jackson zu verteilen. Stephanie muss dagegen auch am Arbeitsplatz mit der Demütigung fertig werden, doch sie schlägt sich sehr wacker und hält eine tolle Ansprache an ihren Exfreund. Sie betont, kein Mitleid mehr zu wollen und reißt sich zusammen, was ich ihr hoch anrechne. April und Jackson sei ihr Glück gegönnt, aber deren Verhalten hat einfach Konsequenzen und da darf Stephanie Jackson sagen, dass er ihr von nun an egal ist. Damit nimmt sie ihm sozusagen seine Macht über sie und er muss selbst schauen, wie er mit seinen Schuldgefühlen fertig wird.

Da Webber wegen Shanes Verfassung besorgt ist, schickt er den Assistenzarzt wieder unter Cristinas Fittiche, was mir ungemein gefallen hat. Ihre kurzzeitige sexuelle Beziehung mal beiseite geschoben, zeigt Shane einfach großes Potenzial in der Kardiologie und Cristina ist das die beste Lehrerin für ihn. Außerdem gibt sie ihm zu verstehen, dass sie nie die Absicht hatte, ihn für Sex auszunutzen und er als Assistenzarzt durchaus das Recht hat, nein zu sagen, wenn ein Oberarzt von ihm zum Beispiel so etwas fordert, wie die Wäsche von der Reinigung abzuholen. Damit baut Cristina sein Selbstwertgefühl wieder auf und verdeutlicht ihm, dass sie an sein chirurgisches Talent glaubt. Genau so sollte ein platonisches Verhältnis zwischen Mentor und Schüler auch aussehen. Solche Szenen machen mir unter vielen anderen bewusst, wie sehr ich Cristina Yang vermissen werde.

Perfect Chemistry

Die Beziehung von Meredith und Derek funktioniert immer noch dermaßen gut, dass ich den Autoren gerne auf die Schulter klopfen würde. Da hatte ich noch Angst, dass bei den Shepherds der Haussegen schief hängen wird, sobald Derek mit seiner Arbeit für den Präsidenten anfängt, und dann harmonieren die zwei so hervorragend miteinander. Meredith ist zwar durchaus genervt von der Situation, aber ihren Humor hat sie dabei nicht verloren und sie gönnt Derek den beruflichen Erfolg ja auch, obwohl sie dabei selbst zurückstecken muss. Der Umgang der beiden wirkt einfach unbeschwert miteinander und das lockert die Episode zusätzlich auf. Im Vergleich zu Meredith, nimmt es Callie hingegen gar nicht gut auf, dass die für ihre Studie benötigten Sensoren nur noch ausschließlich für Dereks neues Projekt verwendet werden dürfen.

Sehr harmonisch geht es auch bei Cristina und Owen zur Sachen, nachdem Meredith ihrer Freundin von Owens und Emmas Trennung erzählt. Eine bedrückte Stimmung wird hier gar nicht erst geweckt, denn das ehemalige Paar scherzt miteinander und die Chemie zwischen Sandra Oh und Kevin McKidd ist wieder mal beeindruckend. Es mag diejenigen Zuschauer unter uns geben, die Owen endlich mit einer Frau sehen wollen, die sein Familienglück tatsächlich erfüllen kann und deswegen seine Trennung von Emma nicht nachvollziehen können. Und dieser Wunsch ist durchaus berechtigt, doch für mich reichen wenige Blicke zwischen Cristina und Owen aus, um zu verstehen, warum sie letztlich nicht voneinander loskommen. Owen mag zwar noch einen Kinderwunsch hegen, aber Cristina ist dennoch seine Traumfrau. Das klingt paradox, doch diese beiden Charaktere drücken genau dieses unbeschreibliche Verhältnis aus. Das Verständnis, welches die beiden füreinander haben, würde sich jeder von seinem eigenem Partner wünschen. Und gerade weil man es hier mit einer so differenzierten Beziehung zu tun hat, bin ich nicht in der Lage, die zwei getrennt voneinander zu sehen beziehungsweise die Augen vor ihrer Anziehungskraft zu verschließen. Also bleibt einem nichts anderes übrig, als die Sorgen zu verdrängen und solche Momente zu genießen, weil es von dieser Sorte einfach nicht mehr viele geben wird.

Fazit

Mit dem Fokus auf Arizona hat man etwas Wesentliches nachgeholt, was für ihre Beziehung mit Callie ungemein wichtig war. Ihrem Eheglück steht somit nichts mehr im Weg, obwohl es natürlich nie leicht sein wird. Die neue Krankenhauspolitik hat für viele unterschiedliche Reaktionen gesorgt, allerdings zeigt sich allmählich ihre Berechtigung. Darüber hinaus sorgten die vielen harmonischen Momente zwischen den Charakteren für ein gelungenes Gesamtbild.

Lukas Ostrowski - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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