Review: #13.01 Scherbenhaufen
Ein altes Sprichwort sagt, man solle vorsichtig sein, mit dem, was man sich wünscht. Jeder Wunsch, den man hat, kann auch ganz schön nach hinten losgehen und negativere Konsequenzen nach sich ziehen. Im Falle von "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" kann man dies schön auf Alex beziehen. Denn wenn es einen Charakter gibt, der in den letzten Jahren eindeutig untergegangen ist, dann war das Alex Karev. In der elften Staffel rückte er immer mehr in den Hintergrund, war oft lediglich als bester Freund von Meredith zu sehen und ersetzte damit Cristina als Merediths "Person" – eine Rolle, die ihm wirklich sehr gut stand und in der er beweisen konnte, wie viel er gereift und gewachsen ist. Dennoch stand sein eigenes persönliches Leben eher still und vor allem in der Beziehung zu Jo gab es kaum Fortschritte und wenn, dann wurden diese oft kaum oder gar nicht thematisiert. Allen, die sich also für die 13. Staffel mehr Alex gewünscht haben, kann ich also sagen: Hättet ihr euch das bloß nicht gewünscht! Denn zwar wird Alex in dieser Folge eindeutig in den Vordergrund gerückt, doch auf Kosten seiner gravierenden und wunderbaren Entwicklung.
"He's earned it. When I first got here, he was one of the worst people I had ever met in my life. And now he's one of the best. And I know that both of those people are still in there. Just want to make sure that the right one wins."
Hatte ich noch nach dem Finale der 12. Staffel die Hoffnung, dass Jo Alex irgendwann stoppen konnte, auf den armen Andrew einzudreschen, konnte ich diese schnell begraben: Alex hat Andrew krankenhausreif geschlagen, Andrews Augenlicht ist zwar gerettet, doch die Nachwirkungen sind noch nicht klar und könnten das Ende von Andrews Karriere bedeuten. Alex hat - auf gut deutsch gesagt - verschissen. Man kann es nicht schön reden, man kann und darf es nicht entschuldigen – Alex hat überreagiert, hat Andrew, ohne diesen sich verteidigen oder erklären zu lassen, attackiert und hat damit jemanden lebensbedrohlich verletzt und ihm, wie man anhand von Andrews panischer Angst vor Alex erkennt, ein Trauma fürs Leben verpasst. Ich finde es sehr schade, dass Alex hier seinem eigens erlegten Standard, erwachsen handeln zu wollen, nicht gerecht werden konnte und seiner Wut und seinen Impulsen nachgegeben hat. Dies ist zwar menschlich, dennoch angesichts Alex' großartigen Fortschritten einfach ein großer Rückschritt.
Für Justin Chambers muss diese Folge alles sein, worauf er die letzten zwei Jahre gewartet hat. Großartig und eindringlich darf er Alex so ambivalent und vielschichtig präsentieren wie schon lange nicht mehr, sodass ich mir einfach nicht sicher sein konnte, ob ich jetzt Mitleid mit Alex haben oder ihn verachten sollte. So sind seine Ängste und Schuldgefühle spürbar und es wird deutlich, wie weit Alex gekommen ist, da er seine Tat sehr bereut, sich um Andrews Schicksal sorgt und an der ganzen Situation verzweifelt. Auf der anderen Seite aber sieht er zunächst nicht die Schuld bei sich und glaubt, dass Andrew sich an Jo vergreifen wollte, greift sogar Jo verbal an, indem er ihr unterstellt, nicht gut genug für ihn zu sein und ihn betrogen zu haben. Damit wirkt Alex unberechenbar und es ist wirklich schwer, einzuschätzen, ob er sich der Polizei stellt oder sein Geheimnis aufrecht erhält. Es hat mich dementsprechend sehr positiv überrascht, dass dieser Spannungsbogen nicht unnötig lange aufrechterhalten wird und Alex sich sogar der Polizei stellt. Dies ist ein großer und wichtiger Schritt für ihn, was auch seine Entwicklung wieder in die richtige Bahn lenkt. Was passiert jetzt mit Alex? Verliert er nun seinen Job? Wie wird der Prozess ablaufen? Und wird Andrew ihm verzeihen können? An offenen Fragen und Dramapotenzial mangelt es hier wirklich nicht, obwohl mir nicht alles an diesem Handlungsstrang komplett zusagt.
Was mir an ihm jedoch sehr gefallen hat, war der Gewissenskonflikt von Meredith. Hin und her gerissen zwischen ihrem Wunsch, Alex zu beschützen und ihrem Wunsch, das Richtige zu tun, trifft Meredith schlussendlich die Wahl, Bailey die Wahrheit zu sagen. Moralisch gesehen ist das die richtige Entscheidung, aber auch für die Freundschaft zu Alex? Hätte Alex sich nicht im selben Moment der Polizei gestellt, hätte Meredith ihn wirklich verraten, was vielleicht die Freundschaft der beiden zerstört hätte. Diese ist weiterhin sehr überzeugend und kann immer wieder berühren. Wie Meredith versucht, für Alex da zu sein, ihn immer wieder berät und auf ihn einredet, doch die Wahrheit zu sagen, zeigt, wie viel Alex ihr bedeutet. Dennoch hätte ich mir ein bisschen gewünscht, dass sie Bailey nicht die Wahrheit gesagt hätte, da dies schon die bedingungslose Loyalität von Meredith in Frage stellt. Es ist aber auch eine verdammt schwierige Situation, um der man Meredith nicht beneiden kann. Wie gesagt, zum Glück hat Alex sein Verbrechen zuvor gestanden und die Freundschaft von Meredith und Alex bleibt uns erhalten, was uns auch in der wunderbaren letzten Szene im Gefängnis gezeigt wird.
Jo kann ebenfalls in diesem Handlungsstrang überzeugen, da ihre Verzweiflung und ihre Ängste nachvollziehbar sind und berühren können. Man kann Jo nicht die Schuld (obwohl sie das selbst tut) an der ganzen Situation geben, da diese einfach auf einem Missverständnis beruht. Dennoch lässt sich Jo kaum beruhigen, möchte sogar aus Seattle verschwinden, weil sie glaubt, alles nur noch verschlimmern zu können. Hier war Webber einfach wieder der großartige, väterliche Helfer, der ihr in dieser schlimmen Situation so wunderbar Beistand geben konnte. Dazu hat es mir sehr gut gefallen, dass Jo tatsächlich versucht hat, das Missverständnis aufzuklären und mit Alex sowie Andrew ins Reine zu kommen, wobei sie bei beiden jedoch abblitzt. Jos Vergangenheit bietet immer noch großes Potenzial und ich bin gespannt, in wie weit dieses in dieser Staffel ausgeschöpft wird. Ein guter Anfang ist bereits jetzt gemacht.
(K)ein Liebesdreieck
Etwas, was mir zurzeit noch Stirnrunzeln bereitet, ist das neue Liebesdreieck – oder sollte ich eher Liebesgerade sagen? Die Verhältnisse sind ja eigentlich klar: Maggie steht auf Nathan. Nathan steht auf Meredith. Scheinbar hat auch Meredith Interesse an Nathan, da sie sich eindeutig bei ihm in der Nähe wohlfühlt, ihm ihre Sorgen anvertraut und man erkennt, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlt. Immer noch sehe ich da viel Potenzial bei Nathan und Meredith, da es zwischen ihnen ein gewisses Funkeln gibt, was vor allem durch Nathans ganz eigenen, wunderbaren Humor ausgelöst wird. Das gibt es bei Maggie und Nathan einfach nicht. Zwar steht er ihr bei, als sie sich um Andrew kümmert, doch ich sehe das alles nur als Freundschaftsdienste, die er auch dann erst erledigt, wenn Meredith ihn darum bittet. So gesehen könnte dieses Kuddelmuddel ganz leicht gelöst werden und alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Doch ausgerechnet Meredith verbaut dies, indem sie erstens Nathan von sich stößt (und ihn damit wahrscheinlich noch dazu animiert, sie noch mehr von sich überzeugen zu wollen) und gleichzeitig Maggie die Wahrheit über sich und Nathan verschweigt, um nicht einen erneuten Vertrauensbruch zu riskieren. Ohje. Mich schafft es dieser Handlungsstrang leider nicht hundertprozentig zu überzeugen, vor allem, da mir in der letzten Staffel die Beziehung von Maggie und Meredith sehr ans Herz gewachsen ist und ich diese hier eindeutig gefährdet sehe.
Darüber hinaus habe ich immer noch Hoffnung für Maggie und DeLuca. Ob ihre Sorge um ihn tatsächlich nur einem Verantwortungsgefühl entspringt oder ob sie noch für ihn Gefühle hat, wird nicht wirklich deutlich. Doch die Tatsache, dass alle sie noch für ein Paar gehalten haben und dass Maggie Andrew eigentlich kaum eine Sekunde alleine lässt, stimmen mich positiv für eine Wiedervereinigung dieses eigentlich so verheißungsvollen Paares.
Kurze Eindrücke
- Angesichts der dramatischen Entwicklungen um Alex und Jo dürfen die anderen Paare andere Akzente setzen. Amelia und Owen sind zum Beispiel lediglich in einer Szene zusehen und ihr Glück, das den beiden anzusehen ist, freut mich ungemein.
- Auch Ben und Bailey dürfen nach dem Finale erneut überzeugen. Bailey spricht Ben weiterhin ihr Vertrauen aus und überlässt Ben wieder ärztliche Funktionen. Ben hingegen hat es scheinbar endlich geschafft, das Private und die Arbeit zu trennen, was er kurz in dem wohl bekannten "Church and State" – Statement verdeutlicht.
- Ben zeigt sich überhaupt von einer sehr einsichtigen, mitfühlenden Seite, vor allem Alex gegenüber. Nach seinem eigenen Fehlverhalten schafft er es sich in Alex hineinzuversetzen und versteht ihn wohl neben Meredith am besten. Für Ben, der noch bis vor kurzem darauf pochte, richtig gehandelt zu haben, ist dies für seine Entwicklung sehr vielversprechend.
- April hat sich zwar noch nicht von Harriets Geburt erholt, kann sich aber endlich mal gegenüber Catherine durchsetzen und ihr klarmachen, wie sie ihre Tochter zu erziehen gedenkt. Diese Szenen bieten sowieso die nötige Leichtigkeit, die in dieser Folge durchaus bitter nötig ist.
- Dem Namen Harriet stehe ich persönlich zwiespältig gegenüber. Der Name, angelehnt an die bekannte afroamerikanische Fluchthelferin Harriet Tubman, ist vor allem bezüglich der Debatte um Jesse Williams' soziales Engagement, einfach nur lobenswert und hat großen Symbolcharakter. Ich hatte mich jedoch bereits auf die Greysche Tradition gefreut, die Kollegen und Familienmitglieder honoriert und dabei auf Charlotte Reed als Namen getippt.
- Fand ich Sara Ramirez' Ausstieg in der letzten Staffel ziemlich enttäuschend, hatte ich doch auf einen ähnlich großen Abschied wie bei Sandra Oh gehofft, muss ich gestehen, in dieser Folge keine Sekunde an Callie oder auch Arizona gedacht zu haben. Ich hoffe aber dennoch, dass man das in irgendeiner Weiße noch thematisiert, war der Abschied alles in allem doch zu abrupt.
Fazit
Mit dem Staffelstart der 13. Staffel werden Alex und Jo nach langem wieder in den Fokus gerückt, obwohl ich mir doch sehr gewünscht hätte, dass dies unter anderen Bedingungen geschehen würde. Alex' positive Entwicklung scheint gefährdet, was jedoch durch Merediths Gewissenskonflikt und Jos Potenzial aufgefangen wird. Das Hin und Her zwischen Meredith, Maggie und Nathan gefällt mir nicht wirklich und ich hoffe, hier bald eine Auflösung zu sehen. Aufgrund vielen kleineren Szenen und positiven Entwicklungen kann die Folge dennoch alles in allem überzeugen und stimmt vorfreudig auf die nächsten dreiundzwanzig Folgen.
Lux H. - myFanbase
Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: UndoErstausstrahlung (US): 22.09.2016
Erstausstrahlung (DE): 29.03.2017
Regie: Debbie Allen
Drehbuch: William Harper
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