Bewertung

Review: #2.06 Das gemeine Volk

Foto: Olivia Cooke & Ewan Mitchell, House of the Dragon - Copyright: Theo Whiteman/HBO
Olivia Cooke & Ewan Mitchell, House of the Dragon
© Theo Whiteman/HBO

"House of the Dragon" konnte bisher in den Momenten am meisten überzeugen, als Action, Kampfszenen und gefährliche Kollisionen zwischen den Drachen im Vordergrund standen. Den Episodentitel von #2.06 Smallfolk fand ich daher nicht sonderlich beeindruckend, da es so aussah, als würde diese Episode eher zu den langsamen und ruhigen zählen. Das ist einerseits auch der Fall, doch ich muss sagen, dass es der Serie – mit Ausnahme des Handlungsstranges rund um Daemon – dieses Mal besser gelingt, Spannung in die Geschichte zu bringen und die Dinge ins Rollen zu bringen. Zwar geht man wieder nur mit kleinen Schritten vorwärts und erkennt deutlich, dass in dieser Episode kein wichtiger Checkpoint erreicht wird, doch durch einige intensive spannende sowie emotionale Szenen, gibt die Episode dann doch ein gutes Bild ab.

Drachensamen

In Staffel 2 gibt es einige neue Gesichter, die sich bisher nicht recht einordnen ließen und die auch das Interesse nicht zu wecken wussten, doch die Samen, die die Serie im Staffelauftakt säte, gedeihen nun allmählich und so nehmen auch die Handlungsstränge rund um Ulf, Hugo, Addam und Alyn Form an.

Auf dem Hoheitsgebiet der Grünen erleben wir Ulf und Hugh, die genutzt werden, um die Stimmung in Königsmund eindrücklicher zu verdeutlichen und aufzuzeigen, wie dramatisch die Hungersnot dort ist und wie sehr dies die Unzufriedenheit des Volkes anfeuert. Hier bekommen wir den ersten Eindruck in das Volk, das der Episode seinen Titel verleiht. Es gefällt mir, dass die beiden dazu genutzt werden, uns in die Köpfe der Bevölkerung von Königsmund schauen zu lassen, da durch eben diese Einblicke der Gefahr, in der sich Alicent und Helaena plötzlich befinden, zusätzliche Kraft verliehen wird. Man versteht die Intentionen der Menschen, die hungern müssen, während die Drachen der königlichen Familie mit Karrenladungen von Schafen verköstigt werden und man kann ihren Unmut darüber viel besser nachvollziehen.

Den beiden gegenüber stehen Alyn und Addam auf dem Hoheitsgebiet der Schwarzen. Diese beiden gefallen mir sogar noch besser, da sie durch die Verbindung zu Corlys eine persönliche Note in die Geschichte bringen. Es waren bisher nur kleine Andeutungen, unausgesprochene Gedanken und bedeutungsschwere Blicke, durch die man zu erahnen begann, dass die beiden mehr sind, als nur zwei Seemänner. Nun ist die Katze aus dem Sack und wir haben die Bestätigung dafür bekommen, dass es sich um Corlysˈ Bastarde handelt. Ich hoffe, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch erklärt wird, weshalb Corlys den Drang verspürte, seine Ehefrau, die eine Prinzessin der Targaryens und gefürchtete Drachenreiterin war, zu hintergehen, doch zu diesem Zeitpunkt will ich mich nicht darauf konzentrieren, sondern auf die beiden jungen Männer. Beide scheinen sehr unterschiedliche Charaktere zu sein, Alyn ist zurückhaltend, ruhig und bedacht, wo Addam Tatendrang verspürt und das Abenteuer sucht. Alyn versucht, seine Herkunft zu verbergen, indem er sich das silberblonde Haar der Valyrier abrasiert, während Addams Blut scheinbar von Seerauch gerochen wird, da der Drache regelrecht Jagd auf ihn macht und auf der Suche nach einem neuen Reiter zu sein scheint. Sowohl ihre Verbindung zu Corlys als auch der Gedanke, dass die beiden die von Rhaenyra gesuchten Drachenreiter sein könnten, macht sie unglaublich interessant.

Dass Seerauch sich nicht von jedem reiten lässt, egal ob ein Quäntchen Targaryen-Blut in seinen Adern fließt, beweist das Ableben von Steffon Darklyn. Um die Figur tut es mir leid, da er Rhaenyra treu ergeben war, aber es war eine grandiose Szene, als Steffon erfolglos versuchte, Seerauch zu besteigen und stattdessen durch Drachenfeuer seinen Tod fand. Dieser Moment war der erste der Episode, der die Emotionen in Wallungen brachte.

Die Grünen

In Königsmund regiert Aemond und wo wir ihn in der ersten Staffelhälfte als gekonnten Strategen und erfolgreichen Drachenkrieger gesehen haben, steigt ihm die plötzliche Macht nun zu Kopf und er eckt bei allen seinen Ratsmitgliedern an – allerdings scheint ihn das kein bisschen zu stören. Genau dieses Verhalten rückt diese äußerst zwielichtige Figur nun wieder in ein dunkles Licht und man ist hin und hergerissen zwischen Mitfühlen und Bangen. Diese Unsicherheit in Bezug auf Aemond wird im Verlauf der Episode wunderbar gesteigert. Erst sehen wir ihn im kleinen Rat, wo er seine Berater das Fürchten lehrt, dann im Gespräch mit Alicent, wo die Unterhaltung plötzlich eine persönliche Note bekommt, aber dennoch ist die Stimmung zum Reißen gespannt. Schließlich werfen wir einen Blick auf Aemond an Aegon Bett und man fürchtet in jeder Sekunde, dass Aemond sein Werk von der Schlacht von Krähenruh beendet und seinen Bruder tötet. Es sind dramatische Szenen, die Aemond uns hier bietet und die einen bittersüßen Nervenkitzel hinterlassen.

Eine weitere eindrückliche Unterhaltung ist die von Aegon und Larys. Bisher war Larys nur eine Randfigur, die keine Skrupel zu kennen schien und die lediglich als Strippenzieher diente. Nun zeigt er eine emotionale Facette, die mich wirklich überrascht hat. Es gefällt mir, dass man diesen eindimensionalen Charakter – der nicht einmal nach dem von ihm in Auftrag gegebenen Mord an Vater und Bruder mit der Wimper zuckte – nun doch vielschichtiger gestalten will. Denn der Cast der Serie ist groß und wächst stetig, doch die Figuren, die den Zuschauer wahrlich für sich eingenommen haben, kann man wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Hier unterscheidet sich die Serie sehr von "Game of Thrones", wo bereits in der ersten Staffel viele Figuren ihren Weg in die Herzen der Zuschauer fanden.

Ähnliches wie für Larys gilt für Gwayne Hohenturm. Er stand bisher am Rande des Geschehens, doch durch das Gespräch mit Alicent konnten sowohl ihm als auch Alicent mehr Farbe verliehen werden. Dass Alicent es momentan nicht leicht hat, braucht man nicht zu betonen, doch man könnte es wohl als Karma bezeichnen, dass sie nun mehr und mehr an Einfluss verliert, nachdem sie Rhaenyras Thronanspruch überging und einen Mann auf den Thron setzt, nur um nun aufgrund ihres Geschlechts selbst aus dem kleinen Rat verdrängt zu werden.

Die Schwarzen

Rhaenyra wird von Zweifeln geplagt und die gesamte Staffel über hat man Wert daraufgelegt, uns zu zeigen, auf welch wackeligen Beinen ihr Thronanspruch steht. Auch im Kampf war sie den Grünen bisher unterlegen, weshalb man ihre Ängste gut verstehen kann. In der Unterhaltung mit Mysaria können die beiden Frauen ganz direkt ihre Probleme, Ängste, Sorgen und Geheimnisse auf den Tisch legen. Es war schön zu sehen, dass Rhaenyra eine Vertraute hat, bei der sie ehrlich ihre Gefühle äußern kann. Das tat nicht nur dem Zuschauer gut, sondern auch Mysaria, die bisher zu mysteriös war, als dass man sie wirklich ins Herz hätte schließen können. Ziemlich überrascht war ich allerdings von dem Kuss der beiden. Ich habe ihn nicht kommen sehen, doch an dieser Stelle war er mit der wachsenden Vertrautheit zwischen den beiden durchaus passend. Ich bin gespannt, ob sich zwischen ihnen noch mehr entwickeln wird., ich möchte allerdings nicht, dass dies einen Keil zwischen Rhaenyra und Daemon treibt. Sehr unpassend fand ich hingegen das Episodenende. Denn genau in dem Moment, als die Spannung sich aufbaute und man sehen wollte, ob die eigene Vermutung richtig ist und ob Addam der neue Drachenreiter von Seerauch ist, da wird der Abspann eingeblendet. Was war ein enttäuschender Dämpfer.

Genau das gleiche empfand ich bei den Szenen mit Daemon. Seine Figur steuert weiterhin ziellos durch Harrenhal, hat verwirrte Szenen mit Simon, belehrende mit Alys und zwischendurch Traumsequenzen, die man deuten mag, wie man will. Ich verstehe, dass man Matt Smith weiterhin zeigen will und muss, doch die Art und Weise ist leider alles andere als reizvoll. Es wird höchste Zeit, dass man hier das nächste Kapitel aufschlägt, denn selbst über den Gastauftritt von Paddy Considine konnte man sich aufgrund der Sinnlosigkeit der Traumsequenzen nicht recht freuen.

Kurze Eindrücke

  • Es ist sehr auffällig, dass niemand von Otto gehört zu haben scheint und dass dies so betont wird.
  • Nun wurde Daeron in mehreren aufeinanderfolgenden Episoden erwähnt. Werden wir ihn nächste Woche endlich zu Gesicht bekommen?
  • Bei der letzten Verabschiedung bat Kriston um Alicents Gunst und er kehrte erfolgreich nach Königsmund zurück. Ist es ein schlechtes Omen, dass er sich nun ohne ein Wort der Verabschiedung von ihr abwendet?
  • Die Handlung auf Hohenehr wirft Fragen auf. Lady Jeyne ist ihrem Besuch gegenüber sehr unterkühlt, wird sie das Bündnis aufkündigen? Wer ist der Drache, dessen Spur Rhaena gesehen hat? In "Feuer und Blut" gibt es eine Figur, die bisher nicht erwähnt wurde und die mit ihm in Zusammenhang stehen könnte. Werden wir sie noch kennenlernen?
  • Sehr schade, dass wir Baela dieses Mal nicht gesehen haben, sie war bisher stets eine Bereicherung.
  • Helaena sagt dieses Mal etwas über eine Grille, die nicht mehr singt. Wird dies wieder eine Art Prophezeiung sein?
  • Jason Lannister bringt also einen Löwen mit aufs Schlachtfeld. Soll er im Kampf eingesetzt werden, oder dient er als Drachenfutter?
  • Eigentlich kann ein Drache erst dann von einem neuen Drachenreiter bestiegen werden, wenn der alte tot ist. Episode #1.07 Driftmark legte allerdings Wert darauf, aufzuzeigen, dass Laenor Velaryon nicht ums Leben kam. Wenn Seerauch sich nun einen neuen Drachenreiter sucht, müsste dies demnach bedeuten, dass Laenor offscreen gestorben ist.

Fazit

Man nutzt diese Episode geschickt, um bisher unbedeutenden Figuren nun Gewicht zu verleihen und es macht Spaß zu sehen, wie sich zuvor unabhängige Geschichten in das Gesamtbild eingliedern. Doch es fehlt der Episode an großen Momenten, die man sich scheinbar für die beiden letzten Episode dieser Staffel aufspart.

Marie Müller - myFanbase

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