Bewertung

Review: #3.01 Nichts wie raus hier

Foto: Jon Hamm, Mad Men - Copyright: Carin Baer/AMC
Jon Hamm, Mad Men
© Carin Baer/AMC

Endlich, eine der unterhaltsamsten, intelligentesten und auch elegantesten Serien ist mit neuen Folgen zurück. Und die Rückkehr war fulminant, die Quoten der Staffelpremiere beim amerikanischen Kabelsender AMC waren sensationell, und auch inhaltlich wusste #3.01 Out Of Town zu überzeugen.

Nach dem Ende von #2.13 Meditations In An Emergency waren viele Fragen offen. Wie steht es um die Ehe der Drapers? Hat Betty Don wirklich dessen Eskapaden verziehen? Und ist dieser in der Lage, seine Ehefrau und sein Umfeld mehr an seinem Gefühlsleben teilhaben zu lassen? Und wie hat Pete letztlich Peggys Geständnis verkraftet? Hatte dies Auswirkungen auf seine Ehe? Oder hat ihn die Verzweiflung übermannt, schließlich sahen wir ihn zuletzt mit einem Gewehr allein im Dunkeln sitzen. Wie steht es um Sterling Cooper nach der Übernahme der Agentur durch ein britisches Unternehmen? Hat Don seine Drohung wahr gemacht und hat Sterling Cooper verlassen? Ist Duck Phillips wirklich Präsident der Agentur geworden? Das sind noch lange nicht alle offenen Fragen, die die zweite Staffel aufgeworfen hat, sondern nur die für mich dringendsten, aber in guter alter "Mad Men"-Manier wurde fast keine davon aufgelöst. Im Gegenteil, es scheint als hätte sich nichts verändert, als wären alle Protagonisten gefangen in ihrem Status Quo.

"I've been married a long time. You get plenty of chances."

Am augenscheinlichsten ist dies wohl bei Don Draper. Hoffte man als Zuschauer darauf, dass er sich ändern würde, um seine Ehe zu retten, und deutete auch noch der Beginn der Episode in diese Richtung, so wurden die Hoffnungen doch noch schneller zerstört als schon in Staffel 2. So ist er zwar einerseits der liebevolle Ehemann, der seiner schwangeren Frau nachts eine warme Milch zum Einschlafen bringt, aber kaum verlässt er die Stadt für eine Geschäftsreise verfällt er in seine alten Verhaltensmuster. Er lässt sich auf einen One-Night-Stand mit einer Stewardess ein, von der nun keiner behaupten kann, dass sie mehr als ein Betthäschen für ihn ist. Und geht dabei die erste Initiative zur Flirterei auch nicht von ihm aus, so macht es ihm doch sichtlich Spaß, das Spiel zur Verführung der jungen Frau zu spielen. Und offensichtlich ist Don überzeugt, sein Verhalten bliebe ohne Konsequenzen, wie sein Zitat in der Überschrift zeigt. Getoppt wird dieser indirekte Schlag ins Gesicht seiner Ehefrau Betty nur durch die Tatsache, dass er ohne mit der Wimper zu zucken eine Anstecknadel seiner Stewardess, die seine Tochter Sally zufällig findet, dieser schenkt, und behauptet, er hätte sie für Sally mitgebracht. Anscheinend ist Donald Draper wirklich nicht in der Lage, sich zu ändern.

Ich hoffe allerdings sehr, dass es für die dritte Staffel nicht dabei bleibt. Ich möchte mir nicht immer und immer wieder anschauen, wie die Ehe von Betty und Don sich um dieselben Vertrauens- und Offenheitsprobleme im Kreise dreht. Allerdings glaube ich, dass unter Dons undurchdringlicher Oberfläche noch viele schwelende Probleme lauern. Anscheinend hat Bettys Schwangerschaft, kombiniert mit seinem wahren Geburtstag Erinnerungen an seine Herkunft heraufbeschworen. Die dritte Staffel startet ganz ungewöhnlich mit Bildern von Dons wahrer Familie, seiner Stiefmutter Abigail und seinem Vater Archie Whitman, in einer Art Tagtraummontage. Wir erfahren, dass Abigail schon mehrere Totgeburten hatte und offensichtlich keine Kinder bekommen konnte (obwohl sie, wie wir wissen, später noch einen Sohn, Dons Bruder Adam, gebar), und wie es dazu kam, dass sie nach dem Tod von Dons Mutter, der Prostituierten, deren Sohn bei sich aufnahm. Und es ist wohl kein Zufall, dass man die dritte Staffel mit diesen Szenen eröffnet. Außerdem gibt es mir zu denken, dass Don sehr, sehr schlecht, geradezu elend aussah, als er Sally von deren Geburt erzählen soll. Er ist dabei geradezu blockiert und driftet mit seinen Gedanken anscheinend meilenweit ab, so dass Betty die Geschichte weiterführen muss. Ich bin sehr gespannt, was sich hinter diesem inneren Konflikt Dons verbirgt, und ob und wie es sich auf sein Familienleben ausleben wird.

"Limit Your Exposure!"

Parallel zu Dons Eskapaden mit der Stewardess, kommt es auch bei Salvatore zu einem einschneidenden Erlebnis. Dass dieser eigentlich homosexuell ist, sich aber im Lebensumfeld der frühen 60er Jahre für eine Ehe mit einer Frau entschieden hat, ist schon lange zumindest dem Zuschauer klar. Aber auf der Geschäftsreise, die Don und Salvatore gemeinsam unternehmen, findet sich Salvatore plötzlich in einer eindeutigen Situation mit einem Hotelpagen wieder, die so schnell und unvermittelt zustande kommt, dass er und der Zuschauer gleichermaßen überrumpelt sind. Und von der Unvermittelbarkeit überwältigt ist Salvatore wahrscheinlich zum ersten Mal bereit diesen Gefühlen nachzugeben, aber er wird vom Feueralarm des Hotels unterbrochen. Im darauf folgenden Chaos gelingt es ihm nicht, diese für ihn äußerst verfängliche Situation vor Don zu verbergen. Befangen in Dons Gegenwart befürchtet er dessen Reaktion, aber der Mann, der selbst eine ausgeklügelte Doppelexistenz lebt, verurteilt ihn natürlich nicht. Er reagiert nicht einmal direkt, sondern gibt ihm nur über seine Idee für eine Werbeanzeige zu verstehen, dass Salvatore den äußeren Schein nicht aus den Augen verlieren soll. Es ist immer wieder ein Genuss mit anzusehen, wie es "Mad Men" schafft, zwischen den Zeilen seine Inhalte zu vermitteln.

"Is Cooper playing God or Darwin?"

Bei Sterling Cooper sind die Veränderungen in Staffel 3 allerdings offensichtlich, denn die Engländer haben Einzug genommen. Ein britischer Finanzberater namens Lane Pryce sorgt für Unruhe in der Agentur. So wird gleich zu Beginn der aktuelle oberste Kundenbetreuer Burt Peterson entlassen, trotz seiner drei Kinder und seiner kranken Ehefrau, und als Nachfolger werden sowohl Pete Campbell als auch Ken Cosgrove beordert. Ziel ist es offensichtlich, dass die beiden im Kampf gegeneinander das Optimum aus sich herausholen. Neben den Auswirkungen, die diese Entscheidungen für die Zukunft haben werden, frage ich mich dabei auch, was wurde aus Duck Phillips? Schließlich wurde ihm die Geschäftsführung bei Sterling Cooper versprochen, da aber Don sehr wohl noch für die Agentur arbeitet, und sowohl Sterling als auch Cooper wohl zumindest oberflächlich noch die Fäden in der Hand haben, ist von Duck Phillips nichts zu sehen. Wurde er geopfert, um Don in der Firma zu halten? Oder lenkt er bisher unbemerkt aus dem Hintergrund, vielleicht sogar aus London, die Agentur?

Pete Campbell hat jedenfalls wieder einmal nicht das bekommen, was er wollte. War seine Freude nach der Beförderung noch unbändig, so war doch die Enttäuschung darüber, dass er sich den neuen Posten mit Ken teilen muss, maßlos. Ken hingegen nimmt die Herausforderung sportlich, und geht mit der Situation wesentlich souveräner um. Für den Zuschauer gab es dabei eine äußerst amüsante Szene der beiden im Aufzug zu beobachten, die sich, ohne davon zu wissen, innerlich darüber erfreuen, dass sie besser als der andere sind, was ja nun doch nicht zutrifft. Das Betriebsklima ist in der Agentur mit dem Einzug der Briten jedenfalls um einiges rauer geworden, und es bleibt definitiv spannend.

Was hat sich noch verändert in den letzten sechs Monaten, die inzwischen vergangen sind? Peggy hat sich offensichtlich gut eingelebt in ihrem neuen Büro, samt eigener Sekretärin. Lane Pryce bringt seinen persönlichen Assistenten aus London mit, John Hooker, der immer wieder mit Joan aneinander gerät. Joan ist immer noch verlobt, trotz der Vergewaltigung durch ihren Verlobten, und sie plant nun wohl doch nicht mehr, nach der Hochzeit weiter in der Agentur zu arbeiten.

Fazit

Faszinierenderweise gelingt es "Mad Men", ohne auch nur einen der offen stehenden Punkte wirklich zu klären, im Erzähltempo ungewohnt schnell voranzuschreiten. Denn mit Dons Seitensprung, Salvatores Fastaffäre und dem beginnenden Machtkampf zwischen Pete und Ken wird einiges an Spannung schon in der ersten Folge der neuen Staffel aufgebaut. Der Zuschauer wird direkt hineingesogen ins Geschehen, und befindet sich wieder mitten im Zustand der freudigen Erwartung auf die Dinge, die da kommen mögen. Da empfindet man es auch als vertretbar, dass Dons Verhalten sich leider immer noch nicht verändert hat. In vertrauensvoller Zuversicht, dass dies nur das Vorspiel für zukünftige Ereignisse ist, sehe ich es noch nicht als Kritikpunkt. So erhält der Staffelauftakt von mir solide 7 Punkte, für eine Folge, die einen sehr guten Einstieg bietet, der das ganz besondere Etwas aber noch fehlt.

Cindy Scholz - myFanbase

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