Bewertung

Review: #4.01 Public Relations

Foto: Elisabeth Moss, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
Elisabeth Moss, Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

"Who is Don Draper?" Der Einstieg ins vierte Jahr "Mad Men" lässt keine Zweifel offen, mit welcher Thematik sich die Staffel im Kern beschäftigen wird, indem sie die zentrale Thematik bereits an den Anfang setzt. Zwar wird man sich sicher nicht nur mit der Identitätsfindung der Hauptfigur Don Draper beschäftigen, wie ich einmal stark vermute, sondern auch Charaktere wie Peggy Olson, Pete Campbell und natürlich Betty ehemals Draper nun Francis haben diesbezüglich einiges zu klären. Aber Episode #4.01 Public Relations hat als zentrales Thema wieder einmal Don.

I wish we really had a second floor so I could jump off it.

Zeitlich befinden wir uns nun im Herbst 1964, genauer gesagt an Thanksgiving. Und im Jahre 1964 begann sich die amerikanische Gesellschaft spürbar zu verändern. Nach John F. Kennedys Tod und dem Einzug der Beatles in die Charts formte sich langsam die kulturelle Revolution, die in den Swinging Sixtys mündete und dem Bild der 60er Jahre, was man sich heute im Allgemeinen so darunter vorstellt: Miniröcke und freie Liebe, Woodstock und Beatlemania. Die Jugend übernahm die Herrschaft und fegte die angestaubten Ideale der 50er Jahre davon. Unsere Protagonisten der Serie und besonders die bei Sterling Cooper waren noch stark verankert mit diesen konservativen Wertvorstellungen. Mit dem Ende von 1964 vor der Tür werden sich die älteren Herren bei Sterling Cooper Draper Pryce nicht mehr lange vor den Veränderungen der Geschichte verstecken können, und ich bin gespannt, ob und wie dies vonstatten geht.

Erst einmal lernen wir aber das neue Büro kennen, moderner, lockerer, dominiert von viel Glas und damit Transparenz, aber eben auch viel kleiner als das alte präsentiert es sich. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, aber mit einigen kleinen Details, wie zum Beispiel der Tatsache, dass Joan auch ihr wohlverdientes eigenes Büro besitzt und dem fehlenden Konferenztisch, konnte es mich doch recht schnell für sich gewinnen. Überhaupt hat sich die Dynamik zwischen den Mitarbeitern stark verändert, alle sind nicht nur örtlich näher zusammen gerückt und der Umgang ist direkter und ohne die Respektsbarrieren, die noch im alten Gefüge bei Sterling Cooper existiert haben. Da wäre es unvorstellbar für Harry Crane oder auch Pete Campbell gewesen, so unverfroren mit den Vorgesetzten zu sprechen. Nun sind Cooper und Co. einige Stufen auf der Leiter heruntergeklettert und Harry, Pete und natürlich auch Peggy nach oben.

We are all here because of you.

Eine der großen Fragen, die sich dem Zuschauer nach dem fulminanten Finale der dritten Staffel gestellt hat, war, wo Don in seinem Leben nun steht. Er hat bereits zum zweiten Mal einen fast kompletten Lebensabschnitt hinter sich gelassen, seine Ehe und seine berufliche Stellung bei Sterling Cooper und auf beiden Gebieten komplett neu angefangen. Und so wie er wohl früher einmal glaubte, er wünscht sich die perfekte Frau, das perfekte Haus und den perfekten Job, glaubt er mittlerweile wohl, dass er sich sowohl beruflich als auch privat mehr Freiheiten wünscht. Aber hat er dies mit seiner Emanzipation von Betty und von Sterling Cooper wirklich erreicht? Ist es nicht eher so, dass in der neuen Agentur mittlerweile so viel von ihm selbst abhängig ist, dass der Druck wesentlich größer ist? Und der Stellenwert als geschiedener Mann, der somit wieder auf dem Heiratsmarkt verfügbar ist, stellt sich auch nicht unbedingt als hilfreich für sein Verhältnis zu den Frauen heraus.

Dons paranoide Verschlossenheit gerät jedenfalls in dieser Episode den Interessen der Agentur ins Gehege und seine Weigerung, einem Reporter etwas über sich zu erzählen, sorgt sowohl für schlechte Publicity als auch für den Verlust eines wichtigen Kunden. Am Ende geht Don zwar zum Gegenangriff über und setzt sein eigenes Motto in die Tat um: "You need to decide, what kind of company you want to be – comfortable and dead, or risky and rich?", ob er dies nun aber auch so meint, bleibt ungewiss.

Peggy hingegen scheint bei Sterling Cooper Draper Pryce vollkommen in ihrem Element zu sein. Sie ist selbstbewusst, clever, voller Ideen und ohne Scheu, diese ihren Kollegen zu präsentieren. Ihr Umgang mit Pete, aber besonders mit Don ist einzigartig und sie ist die Einzige, die in der Lage ist, Don mit einfachen, klaren Worten die wahre Lage darzulegen. Peggy hat wirklich eine enorme Entwicklung durchgemacht seit sie vor vier Jahren als graues Mäuschen ihren Posten als Dons Sekretärin angetreten hat, mittlerweile macht ihr zumindest beruflich so schnell keiner mehr etwas vor. Und wie sie mit ihrem (zumindest für uns neuen) Kollegen Joey umgeht, beweist, dass sie in dieser beruflichen Partnerschaft die Hosen anhat. Peggys Handeln in dieser Episode, ihre Idee zur Ankurbelung des Schinken-Accounts, ihre spontanen Einfälle für Slogans und eben besonders ihr Umgang mit Don haben mir unheimlich imponiert.

Believe me, everybody thinks this is temporary.

Betty hingegen ist ähnlich wie ihr Ex-Mann in einer neuen Falle angelangt. Sie ist mittlerweile wieder verheiratet, lebt mit Henry und den Kindern aber immernoch in Dons Haus und bis auf ein paar marginalen Veränderungen (dem Ehebett) im wahrsten Sinne in "this man's dirt." Sie hat sich optisch vollkommen ihrer neuen Rolle als Frau eines älteren Mannes und konservativen Politikers angepasst, was sie gleich einmal Jahre älter wirken lässt. Sie schlägt sich mit der offenen Verachtung ihrer Schwiegermutter herum, einer vollkommen neuen Situation für sie, schließlich brachte Don keinerlei Verwandtschaft mit in die Ehe. Was sie aber hat, ist Macht über ihre Männer, über Don, in dem sie ihm die Kinder nach Belieben vorenthält oder nicht aus dessen Haus auszieht, über Henry, indem sie sich nicht gerade als die liebreizende Prinzessin herausstellt, die der sich von ihr wohl erträumt hatte. Und natürlich über die Kinder, die sie weiter in ihrer ihr ganz eigenen Art quält. Mit ihrem Verhalten am Festtagstisch gegenüber Sally erreicht sie definitiv ein neues Tief auf der Sympathieskala. Betty ist von jeher für den Zuschauer kein leicht zu mögender Charakter gewesen. Ich selbst habe ihr Verhalten zwar lange vor mir und anderen "Mad Men"-Fans verteidigt, schließlich hatte sie es auch mit Don nicht gerade leicht, aber immer mehr wird klar, dass sie selbst ein sehr problematischer Charakter ist. Ihre fatale Mischung aus vom Vater verzogener Göre, von der Mutter (zumindest psychisch) gequältem Kind, vom Ehemann in emotionaler Isolation gehaltener Vorzeigefrau und ihrer offensichtlich fehlenden Empathie anderen Menschen, aber besonders ihren Kindern, gegenüber machen es dem Zuschauer sehr schwer, Sympathie für sie zu empfinden. Und die neue Situation verbessert die Lage keineswegs. Es bleibt abzuwarten, wie man sie in die Serie integrieren kann, ohne sie zum vollkommenen Hassobjekt verkommen zu lassen. Woran ich aber nicht glaube, ist eine Versöhnung zwischen ihr und Don. Zwischen diesen beiden Menschen ist zu viel Böses vorgefallen und vor allem ihr Wissen über seine wahre Vergangenheit ist ein zu großes Hindernis, ganz abgesehen davon wäre es ihnen wohl auch nicht unbedingt zu wünschen.

I was born in a trunk. Momma died, daddy got drunk… Grew up, rusty shack. All I had is hangin’ on my back.

So singen The Nashville Teens in ihrer Version der "Tobacco Road" und wieder einmal passt der musikalische Abschluss einer "Mad Men"-Episode wie die Faust aufs Auge. Angestachelt durch die Ereignisse im Büro und zu Hause, die eigene Demütigung und vielleicht auch ein wenig durch Peggys Worte geht Don zum Gegenangriff über. Er gibt dem Wall Street Journal ein Interview, in dem er sich als der Don Draper präsentiert, der in der Lage ist, Alles und Jeden zu überzeugen. Geschickt nutzt er die Fakten der spontanen Firmengründung von SCDP und formuliert daraus eine Geschichte, die zur Legende taugt und feuert diese dem Reporter um die Ohren. Sicherlich bedeutet dies nicht die Geburt eines neuen, modernen, nach vorn orientierten Don Drapers, dafür hat die Serie zu oft den Beweis geliefert, das alle Menschen gefangen sind im Kreislauf ihrer eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten, aber der Abschluss der Episode setzt ein deutliches Ausrufezeichen zum Auftakt der 4. Staffel. Aufgepasst, "Mad Men" ist wieder da!

I learned a valuable lesson. Stay away from one-legged reporters.

Da eine "Mad Men"-Episode meist so voller erwähnenswerter Kleinigkeiten steckt, dass es unmöglich ist, die alle ausführlich abzuhandeln ohne den textlichen Rahmen vollkommen zu sprengen, werde ich wohl immer wieder in meinen Reviews den letzten Abschnitt nutzen, um diese wenigstens zu erwähnen. Was mir außerdem eine Möglichkeit bietet, noch ein weiteres Zitat unterzubringen, schließlich fällt mir dahingehend die Auswahl immer äußerst schwer.

  • Peggys und Joeys "John and Marsha" ist eine Referenz auf die populäre Parodie der Dialoge in Seifenopern der frühen 60er Jahre des Komikers Stan Freberg.
  • Dons sexuelle Präferenzen beinhalten nun also auch, sich von einer Prostituierten schlagen zu lassen. Eine gewisse Ironie entbehrt diese Tatsache natürlich nicht, wenn man bedenkt, dass sich hier der Hurensohn von einer Hure verprügeln lässt. Mit den Herausforderungen eines Rendezvous, welches durchaus mit Blick auf eine stabile Zukunft angelegt ist, ist Don offensichtlich überfordert. Oder musste eine Verabredung mit einer Frau, die wohl nicht nur den Zuschauer an eine junge Betty Hofstadt erinnert, zwangsläufig im Nichts enden?
  • Von Joan und auch Lane Pryce hätte man in dieser Folge sicher gerne mehr gesehen, aber zum Ausgleich dafür durfte Joan einen der besten Sprüche Harry gegenüber fallenlassen: " I won't even tell people after it's aired!" Und apropos Harry, der sollte vielleicht einen Teil seines Gehalts in Sonnenschutzmittel investieren.

Fazit

Es ist einfach nur schön, die "Mad Men" wieder wöchentlich auf dem Bildschirm zu haben und mit diesem Auftakt gelingt der Serie ein fulminantes Comeback. Bisher scheint es, als nutze man die sich bietenden Möglichkeiten voll aus. Man hat keineswegs die Schauspieler lediglich in eine neue Kulisse manövriert, ganz im Gegenteil. Die Veränderungen aus #3.13 Shut the Door. Have a Seat haben spürbare Konsequenzen und den Status Quo ordentlich durchgerüttelt. Ich freue mich, daran teilhaben zu können.

Cindy Scholz - myFanbase

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