Bewertung

Review: #4.02 Schon wieder Weihnachten

Foto: Kiernan Shipka, Mad Men - Copyright: Mike Yarish/AMC
Kiernan Shipka, Mad Men
© Mike Yarish/AMC

Oh Don, wie tief bist du gesunken? Hinterließ die letzte Episode noch den Eindruck, dass Don zwar unglücklich ist, er aber versucht nach Vorne zu blicken und die Initiative in seinem Leben wieder in die Hand zu nehmen und zu den gesellschaftlichen Veränderungen aufzuschließen, wird einem in #4.02 Christmas Comes But Once a Year unmissverständlich klargemacht, dass der ehemalige strahlende Held von Sterling Cooper am Boden ist. "He's pathetic." ist das Urteil des neuen Mitarbeiters Joey. Noch vor wenigen Jahren wäre so ein Urteil über Don unvorstellbar gewesen, damals sprachen die jungen Kollegen voller Ehrfurcht von ihrem Vorgesetzten, verglichen ihn mit Batman, mittlerweile hat er aber eher den Stellenwert des alten, hoffnungslos überholten Säufers in der Agentur eingenommen, den passenderweise früher Freddy Rumsen bei Sterling Cooper inne hatte. Und Freddy kehrt hier zurück, trocken und reformiert, wenn auch immer noch mit seinen altbekannten Vorstellungen über die Welt, die langsam aber sicher aus der Mode kommen wird. Aber zu Freddy später mehr, erst einmal muss ich meinem Entsetzen über Dons Verhalten Luft machen.

I don't hate Christmas. I hate this Christmas.

Don ist einsam, ganz klar. Seit er seine Familie und damit seinen Halt verloren hat, treibt er ohne Halt durchs Leben. Er war sich zwar offensichtlich lange nicht sicher, ob er Betty überhaupt liebt und ob es sich lohnt, für den Erhalt seiner Familie zu kämpfen, aber seine Kinder hat er immer geliebt und das fehlende Heim, dass ihm diese und natürlich auch Betty geboten haben, hinterlässt nun eine klaffende Lücke in seinem Leben. Er trinkt mehr als ihm gut tut, selbst seiner jungen Nachbarin fällt auf, dass er ständig betrunken ist. Und sein Status als geschiedener Mann, kombiniert mit seinem mittlerweile ramponierten Erscheinungsbild beginnt am frauenmagnetischen Mythos zu zehren. Für den Don Draper der ersten drei Staffeln wäre es unvorstellbar gewesen, dass ihn gleich zwei Frauen in Folge abweisen könnten. Kombiniert mit der Abfuhr von Bethany aus der Folge zuvor, scheint dies wohl langsam an seinem Ego zu nagen. Ob er nun aus verletztem Stolz, Einsamkeit oder schlicht zu viel Alkohol den Fehler begeht, eine der wenigen Frauen, für ein wenig Wärme und einen schnellen One-Night-Stand auszunutzen, zu der er noch ein halbwegs gesundes Verhältnis hat, bleibt offen. Wahrscheinlich ist es eine Kombination aus all diesen Faktoren und noch ein paar mehr, die unter seiner verschlossenen Oberfläche verborgen liegen. Dass Don mit seinem erbärmlichen Verführungsversuch seiner Sekretärin Allison aber einen neuen moralischen Tiefpunkt erreicht, ist unbestritten, sowohl für den Zuschauer als auch für Don selbst. Er hatte zwar immer seine ganz eigenen Vorstellungen von Moral, besonders was das Thema Frauen angeht, aber bei seinen Affären doch immer einen gewissen Moralkodex, an der er sich stets gehalten hat und dazu gehörte, seine Sekretärinnen aus diesem Reigen herauszuhalten. Das er nun ausgerechnet mit Allison diese Grenze überschreitet, wo sie die die erste in der Riege seiner Sekretärinnen ist, die mit ihm als durchaus schwierigem Chef klarzukommen scheint, zu der er offensichtlich Vertrauen hat (sonst hätte er sie nie den Brief von Sally vorlesen lassen) und die er deshalb sogar mit in die neue Agentur gebracht hat, macht es nur noch schlimmer. Es ist davon auszugehen, dass Allison in den letzten schweren Monaten eine Stütze für ihn war und aus ihrer Position heraus sich sorgsam um ihren Chef gekümmert hat. Sie jetzt, ohne wahre Gefühle für sie zu hegen, zu einem so niederträchtigen Akt der reinen Triebbefriedigung und des Egoaufbaus auszunutzen, ist wahrlich ein großer Schritt nach unten auf der Treppe der Moral.

Er hat dabei zwar nicht gegen Allisons Willen gehandelt, ihr Verhalten nach dem kurzen Intermezzo auf seiner Couch und am nächsten Morgen lässt vermuten, dass sie wohl zuvor schon die ein oder andere Fantasie über ihren attraktiven Chef hegte, aber vom ersten Moment in Dons Wohnung ist es klar, dass das böse enden wird. Mir persönlich fiel es extrem schwer, die Szene anzusehen, nicht weil es so furchtbar anzuschauen war, sondern weil einem klar war, dass dies aus den niederträchtigsten Motiven Dons passiert. Er wird sich niemals auf eine Affäre mit Allison einlassen und die Reaktion, die er ihr gegenüber an den Tag gelegt hat, hat meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Don tut wieder einmal so, als wäre nichts geschehen und übergeht die Ereignisse einfach. Zwar glaube ich nicht, dass sich Allison Hoffnungen auf mehr gemacht hat, aber diese völlige Ignoranz des Vorfalles, kombiniert mit dem (zwar vorher angekündigten, aber dennoch unheimlich beleidigend wirkenden) Geldbonus, und dem Hinweis, dass er ihre Gutmütigkeit eh schon zu sehr ausnutzt, war eine Beleidigung sondergleichen. Oh Don.

An dieser Stelle muss man aber auch noch einmal die Qualität sowohl des Drehbuchs als auch der Darstellung Alexa Alemannis hervorheben. Wie es hier gelingt, den Zuschauer mit einem Charakter, den man bisher lediglich am Rande wahrgenommen hat und der eine sehr geringe Rolle spielte, mitfühlen zu lassen, ist schon beachtlich. Großartige Leistung, die einen nun hoffen lässt, mehr von der talentierten jungen Dame zu sehen, wenn auch ihre Zukunft im Moment bei SCDP eher fragwürdig erscheint und nun zumindest von Schatten überlagert ist.

You're so old fashioned.

Aber die Hoffnung sollte man nie aufgeben, denn wie diese Episode beweist, können in der Welt von "Mad Men" längst verloren geglaubte Charaktere nach langer Zeit ihr unvorhergesehenes Comeback bekommen. So gibt es hier ein Wiedersehen sowohl mit Freddy Rumsen als auch mit Glen Bishop, beide waren seit Staffel 2 aus dem Serienuniversum verschwunden, wenn auch nicht vergessen, wie hier bewiesen wird. Und Freddy hat sich zwar dahingehend verändert, dass er nun trocken ist und versucht, den Tücken und Versuchungen des Alltags in der Agentur aus dem Weg zu gehen, aber er bleibt dennoch ganz der Alte. Seine Ansichten darüber, wie man junge Frauen mit Werbung erreichen kann, sind mehr als antiquiert, und sogar Peggy, die ihn immer als ihren Mentor und väterlichen Freund betrachtet hat, kann diesbezüglich nicht an sich halten. Dass bei ihr natürlich auch die Worte ihres "Verlobten" Mark mitschwingen, der sie, unwissend von ihrer bewegten Vergangenheit mit Männern, als altmodisch bezeichnet hat, ist offensichtlich, dennoch hat sie damit natürlich vollkommen Recht. Und es bereitet einen nicht gerade großes Vertrauen in die Zukunft der Agentur, wenn man Freddys Ansichten, Coopers Weltanschauungen und Dons Ignoranz gegenüber den Veränderungen der Zeit betrachtet. Und die fatale Abhängigkeit von Lucky Strike, personifiziert durch den diabolischen Lee Garner Jr., schwebt über allen Dingen. Lee Garner ist in der Welt von "Mad Men" wohl der größte Antagonist, den man bisher kennen gelernt hat. Er sorgte für Sals Entlassung und seine grausame Freude an Rogers Erniedrigung lässt nichts Gutes ahnen. Da kann man es noch mit schwarzem Humor wie Don betrachten ("Did you enjoy the fuhrer's birthday?") oder mit großer Sorge wie Lane Pryce.

Apropos Roger, in dieser Folge konnte er neben einer gewohnten Reihe an unnachahmlich genialen Roger-Sprüchen auch wieder einmal durch seine großartige Chemie mit Joan glänzen. Es ist schon beeindruckend, wie es der Serie und natürlich den beiden fantastischen Darstellern John Slattery und Christina Hendricks gelingt, eine außereheliche Affäre von vor vier Jahren, so präsent zu halten, dass man als Zuschauer jede Szene der beiden herbeisehnt. Und wenn man wie hier mit solchen zwar unterschwelligen, aber dennoch eindeutigen Aussagen belohnt wird, schlicht mit einem tiefen Seufzer zurück bleibt.

Most of all I want you to be here on christmas morning to give it to me, but I know you can't be.

Creepy Glen is back. Und wie. Normalerweise bin ich ja kein Freund von englischen Spitznamen in meinen Texten, aber Glen ist einfach so ein verstörender Charakter, der außerdem bei jedem Auftauchen in der Serie für Wendungen in der Geschichte sorgt, mit denen keiner gerechnet hätte und die einen eben jedes Mal komplett verstört zurücklassen. Verstärkt wird dieser Effekt noch davon, dass Glen von Matthew Weiners Sohn Marten dargestellt wird, und die Vorstellung, dass der seinem eigenen Sohn solche komplett irren Geschichten auf den Leib schneidert, ist einfach nur creepy.

Also Creepy Glen ist zurück und diesmal ist nicht Betty das Objekt seiner Begierde, sondern Sally. Einerseits finde ich diese Entwicklung gar nicht so weit hergeholt, schließlich haben sich die beiden Scheidungskinder sicherlich viel zu erzählen, aber mit Glens Vorgeschichte im Hinterkopf und seiner Tat, Sallys Leben leichter zu machen, in dem er in deren Haus randaliert, wecken doch beklemmende Vorahnungen in mir. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Creepy Glen der erste von vielen verstörenden, masochistischen Männergeschichten für Sally Draper wird.

We have gifts, girls and games.

Bevor diese Review noch ins Unermessliche ausartet, will ich doch zum Ende kommen, davor aber noch so einige für meine Begriffe wichtige Beobachtungen in Stichpunktform abarbeiten. Diese Episode ist wieder einmal so gespickt voller kleiner Details, dass man unmöglich alles ausführlich abhandeln kann:

  • Die Inneneinrichtung in Rogers Büro und die Outfits bei der Party haben mir den Atem geraubt. Die Ausstattungsabteilung und Kostümbildnerin Janie Bryant haben sich hier wieder einmal selbst übertroffen und mit ihren Bildern auch außerhalb der Dialoge Akzente gesetzt. Auch wenn Rogers Kommentar zu Janes Faible für moderne Innenarchitektur dem ganzen natürlich noch die Krone aufgesetzt hat: " I feel with my hair, you can't even see me in here."
  • Wahrscheinlich liegt es an meiner überbordenden Liebe für "Community" und speziell für den Charakter Annie Eddison, aber es ist eine Freude, Alison Brie, wenn auch nur kurz, zu sehen. Trudy hat sich in der vorhergegangenen Staffel zu einem unheimlich starken Charakter gemausert und ich hoffe, man setzt diese Entwicklung in dieser Season fort.
  • Welcher kleine Sadist hat sich diese Fragen für den Test der Verbraucherforschungsfirma ausgedacht? Waren die speziell konzipiert, um Don aus dem Raum zu verjagen? Egal wie, die Szene im Konferenzraum mit Harrys kindlichem Verhalten, Dons Ignoranz und besonders Lanes und Berts Reaktion darauf, war köstlich. Und es bleibt sicherlich interessant, wie es mit der Zusammenarbeit zwischen SCDP und der Verbraucherforschung weitergeht.
  • Wir sind nun bei vier verschiedenen Frauen in Dons Leben, auf die er innerhalb von zwei Episoden Eindruck zu machen versucht. So ein Tempo legte die Serie noch nie vor, und dennoch ist er einsamer denn je. Ich bin gespannt, welche der Damen einen längeren Platz in der Serie und Dons Leben einnehmen wird. Aber ich muss auch sagen, dass es schon ein sehr amüsanter Anblick war, "Everwood"-Liebling Nora Zehetner nach ihrem Gastspiel in der sechsten Staffel "Grey's Anatomy" hier im Krankenschwesternoutfit zu sehen.
  • Peggy schläft mit Mark, obwohl Freddy ihr davon abrät. Interessant. Ich weiß absolut noch nicht, was ich momentan von dieser Beziehung und Peggys Verhalten dazu halten soll, aber ich lasse mich gerne überraschen.
  • Wo ist Ken? Aaron Staton ist in den Main-Credits, aber keine Spur von ihm bisher in der Serie.
  • Joanies Polonäse. Holla, ich kann mir einige männliche Fans vorstellen, die sich in einer Dauerschleife dieser Szene ernsthaft verlieren könnten.

Fazit

Gezwungenermaßen komme ich nun aber wirklich zum Ende, auch wenn diese Episode wieder einmal beweist, das "Mad Men" so voller Subtext und Liebe zum Detail steckt, dass man unendlich weiter machen könnte. Für dieses wunderbare Exempel gibt es von mir 8 Punkte.

Cindy Scholz - myFanbase

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