Bewertung

Review: #7.22 Absturz

Nachdem es im letzten Staffelfinale einen verheerenden Amoklauf gab, durch den mehrere Personen zu Tode kamen, erleben wir zum Abschluss dieser Staffel nun ein Massaker der etwas anderen Art: ein unzensiertes, schwer im Magen liegendes, äußerst diskussionswürdiges Gefühlsmassaker. Diesmal werden keine Menschen, sondern Liebesbeziehungen und Freundschaften angeschossen - und es ist nicht sicher, ob sie alle überleben werden.

Meredith & Derek

Der Konflikt zwischen Meredith und Derek, der dazu führt, dass die offiziell Frischverheirateten nicht einmal mehr im selben Haus schlafen, ist ein Unglück, auf das wir seit drei Episoden unaufhaltsam zugerast sind. So fest man als Zuschauer auch die Augen zusammengekniffen haben mag, der Aufprall kam dann doch. In meiner Review zur Episode #7.19 schrieb ich dazu:

"Auch ein Bruch zwischen Meredith und Derek ist leider nicht ausgeschlossen, obwohl dies – so drastisch muss ich es sagen – ein erbärmlicher Schritt wäre, der die Serie wieder weit zurückwerfen und Vieles zerstören würde. Hätte jemand ernsthaft Lust auf eine 8. Staffel, in der diese zwei Menschen, die eigentlich schon seit mindestens fünf Jahren glücklich verheiratet sein müssten, wieder einmal das Zusammensein nicht auf die Reihe bekommen und leidend umeinander herum schleichen?"

Zu dieser Aussage stehe ich. Es ist für mich einfach schwer zu begreifen, wie es sein kann, dass Serienmacherin Shonda Rhimes und ihrem Autorenteam nichts Besseres für die Charaktere Meredith und Derek einfällt, als sie schon wieder zu trennen. Diese erneute Krise wirkt angesichts der Entwicklung, die Merediths und Dereks Beziehung in den letzten Jahren, speziell seit dem Ende der vierten Staffel, genommen hat, irgendwie schäbig. Wie ein gebrochenes Versprechen. Wir erinnern uns an die finale Folge der vierten Staffel, in der Meredith endlich den Mut gefunden hat, sich ganz und gar zu ihrer Liebe zu Derek und dem Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft zu bekennen, oder an die Klebezettel-Hochzeit, bei der sich Meredith und Derek versprochen haben, sich immer zu lieben und zusammenzuhalten, egal was kommt. Tja, Pustekuchen! Am Ende der sechsten Staffel war Meredith dann sogar bereit, sich erschießen zu lassen, um Dereks Leben zu retten. Nochmals zum Mitschreiben: sie war bereit, sich für ihn ERSCHIEßEN zu lassen! Und nun, knapp ein Jahr später, wendet Derek sich von Meredith ab, wirft ihr vor, nie eine gute Mutter sein zu können, und lässt sie mit der Verantwortung für ein Kind alleine, weil er eine fragwürdige, aber psychologisch nachvollziehbare Entscheidung von ihr nicht akzeptieren kann. Dieses Finale der siebten Staffel macht somit im Nachhinein bedeutende Momente früherer Staffeln zunichte, oder trübt sie zumindest gewaltig. Gerade einmal drei Episoden, von #7.19 bis #7.22, hat es gebraucht, um die Fortschritte mehrerer Jahre wieder umzuwerfen.

Der Kern des Problems, nämlich dass für Derek die Welt nur schwarz oder weiß ist, während Meredith die Grautöne sieht, wurde auch schon einmal intensiv thematisiert, anhand der Storyline um den Serienmörder William Dunn. Damals hat Dereks Mutter ihm bewusst gemacht, dass Meredith dadurch, dass sie eben diese differenziertere Weltsicht hat als er, die perfekte Frau und die richtige Ergänzung für ihn ist. Nun aber wird aus Ergänzung wieder Unterschied und Derek reagiert moralisch entrüstet. Er hat sicher alles Recht der Welt, erst einmal wütend auf seine Frau zu sein, die hinter seinem Rücken gehandelt hat, aber seine Reaktion fällt ziemlich verletzend und unversöhnlich aus. Seine Schwarz-Weiß-Sicht bricht extrem hervor und lässt ihn den bereits erwähnten Klebezettel-Schwur brechen. Dass Derek die Alzheimer-Studie ja ursprünglich auch nur aus Sorge um Meredith gestartet hat, die genetisch für diese Krankheit anfällig ist, kommt noch hinzu, um diese ganze Krise so schwer verdaulich zu machen.

Selbst wenn es nicht lange dauern sollte, bis Meredith und Derek wieder zueinander finden, ist das einfach ein Thema, das ich in der achten Staffel nicht auch noch sehen wollte und dass eigentlich längst als abgehakt galt. Man fühlt sich schon irgendwie verschaukelt.

Cristina & Owen

Was Kontroversität betrifft, erweist sich die Krise zwischen Cristina und Owen natürlich als noch deutlich schärfer. Das Thema Abtreibung ist nun einmal ein heißes Eisen, das schnell in hitzige Diskussionen ausartet. Die Abtreibungsgegner pochen auf die Heiligkeit des Lebens, die Befürworter von Abtreibungen betonen das Recht der Frauen, selbst über ihren Körper bestimmen zu dürfen, und viele Leute sind froh, wenn sie nicht nach ihrer Meinung zu diesem Politikum befragt werden. Persönlich ordne ich mich weder der Pro-Fraktion noch der Contra-Seite zu, da einfach jeder Fall anders ist. Damit wären wir dann wieder bei den Grautönen. Hinter jeder ungewollten Schwangerschaft stecken eigene Geschichten, spezielle Umstände und individuelle Schicksale, die man nicht außer Acht lassen sollte. Wie aber sieht das nun bei Cristina aus? Heikel, würde ich sagen. Wir haben hier eine verheiratete Frau und Ärztin (!), die genau weiß, dass sie keine Kinder will, und doch nun schon zum zweiten Mal (!!) schwanger ist. Für alle, die sich nicht mehr genau erinnern: in der zweiten Staffel musste Cristina wegen einer Eileiterschwangerschaft notoperiert werden. Man sollte doch meinen, dass eine Ärztin weiß, wie man verhütet, erst Recht, nachdem sie bereits einen sehr eindringlichen "Warnschuss" erhalten hat. Von daher fühlt man sich schon etwas unwohl dabei, dass sie keine Verantwortung übernimmt. Sie ist kein unerfahrener Teenager, kein Opfer und keine alleinstehende Frau ohne Rückhalt. Man kann sie beim besten Willen nicht dafür bemitleiden, dass sie (schon wieder) ungewollt schwanger geworden ist.

Im Gegensatz zu Cristina will Owen das Kind. Damit stoßen wir auf einen weiteren, sehr schwierigen Aspekt in der Abtreibungsthematik: die Rechte des Vaters. Owen kann Cristina natürlich nicht zwingen, das Kind auszutragen, aber man kann auch nicht erwarten, dass er ihre Entscheidung stillschweigend hinnimmt. Cristinas Entscheidung gegen das Baby ist in gewisser Weise auch eine Entscheidung gegen eine echte Partnerschaft mit Owen. Sie nimmt auf seine Meinung und seine Gefühle keine Rücksicht. Sollte Cristina also abtreiben, dann dürfte dies das Ende der Ehe bedeuten, denn diese Sache würde für immer zwischen den beiden stehen und immer wieder eine Rolle spielen. Doch vielleicht führt Cristinas Zusammenleben mit Meredith und Baby Zola ja zu einem Umdenken? Möglicherweise werden ihre Mutterinstinkte geweckt. Es sind schon verrücktere Dinge passiert, im Seattle Grace/Mercy West sowieso. Eine andere Möglichkeit ist natürlich, dass auch diese Schwangerschaft wieder nicht ohne Komplikationen verläuft. Ich wage keine Prognose.

Teddy & Henry

Also doch! Die Geschichte eines Schein-Ehepaares, das aus versicherungstechnischen Gründen heiratet und sich plötzlich wirklich ineinander verliebt, ist nun offiziell wahr geworden, da Teddy unter gütiger Mithilfe eines verheerenden Flugzeugabsturzes zu der Erkenntnis gelangt, dass Henry und nicht Andrew der richtige Mann für sie ist. Dass Katastrophen hervorragend dazu geeignet sind, um Einsichten zu wecken und alberne Zweifel zu beseitigen, wissen wir ja schon aus unzähligen Serien und Filmen. Für mich ist das ein eher formelhaftes Drehbuchmanöver, mit dem man mal eben ein (vorläufiges) Happy End erzwingen kann.

Ernsthafte Einwände gegen Teddys Entscheidung für Henry und gegen Andrew dürften unter den Zuschauern kaum aufkommen, da der Charakter Andrew in der gesamten Staffel entschieden zu blass geblieben ist, um Unterstützer zu gewinnen. Als er zunächst zwecks Betreuung der traumatisierten Ärzte in Seattle war, hat er eigentlich nur Bescheinigungen ausgestellt, während sich die Doktoren selbst oder gegenseitig therapiert haben. Nach seiner Rückkehr durften wir Andrew dann nur ein paar Mal kurz mit Teddy sehen, wenn er sie abgeholt oder irgendwohin begleitet hat. Dementsprechend waren wir eigentlich alle im Team Henry.

Da Teddy nun nicht nach Deutschland auswandert, stellt sich die Frage, wie es mit ihr in der nächsten Staffel weitergeht. Wie wird sich die Romanze mit Henry entwickeln, bzw. wie viel werden wir davon noch sehen? Wie geht es zwischen Teddy und Cristina weiter, die so langsam auf dem Weg zu Intimfeindinnen sind? Cristinas Bruch mit Owen wird das Verhältnis zu Teddy sicher auch nicht verbessern. Man darf davon ausgehen, dass Teddy auf Owens Seite ist. Spielen womöglich die Gefühle zwischen Owen und Teddy doch noch einmal eine Rolle? Dieses Staffelfinale hat ja ein weiteres Mal eindrucksvoll bewiesen, dass Shonda Rhimes vor kaum etwas zurückschreckt, wenn es um die Paare der Serie geht, und sie auch scheinbar abgehakte Themen gerne mal reanimiert.

Lexie & Jackson & Mark

Mark gibt Lexie und Jackson seinen Segen. Eine nette Geste, zu der er aber natürlich kein wirkliches Recht hat. Er besitzt keinen Anspruch auf Lexie und es steht ihm nicht zu, ihre neue Beziehung in welcher Form auch immer zu bewerten. Indem er noch immer entscheidet, was er als gut und richtig für Lexie erachtet, lässt er sie nicht los. Das macht sie ihm auch klar. Lexie liebt Mark nach wie vor, aber er konnte sie nicht glücklich machen und hat es zweimal verbockt. Dabei hat natürlich die Tatsache, dass sie an ganz unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben stehen, eine große Rolle gespielt. Vorläufig kann Mark nur das genießen, was er sich gewünscht und bekommen hat, nämlich ein Kind (genau genommen zwei, zählt man Sloan mit), und Lexie in Ruhe lassen.

Alex & alle anderen

Alex hat, auf gut Deutsch gesagt, verschissen. Durch seinen Verrat an Meredith hat er Freunde, Ansehen und den Posten des Chief Resident verloren. Cristina spricht Alex gegenüber genau meine Meinung aus, nämlich, dass er der einzigen Person, die immer zu ihm gehalten hat, in den Rücken gefallen ist. Owen kann ihn unter diesen Umständen verständlicherweise nicht zum leitenden Assistenzarzt machen. Wie sollen die anderen ihm vertrauen, wenn er in schwierigen Situationen sogar seine engsten Vertrauten verrät? Meredith ist ja auch nicht irgendwer im Seattle Grace/Mercy West Hospital. Sie ist mit vielen der Ärzte besonders verbunden – sie ist beste Freundin, Schwester, Ehefrau, Vermieterin, Quasi-Tochter. Alex hat in jeder Hinsicht die falsche Person angeschwärzt. Zwar versucht er zurückzurudern, doch natürlich ist es dafür zu spät. Der Schaden ist bereits angerichtet. Auch Lucy wagt noch einen Versuch der Versöhnung mit Alex, kann jedoch gleichfalls nichts mehr retten, was auch kein Mensch ernsthaft erwartet hat.

April ist damit die neue leitende Assistenzärztin, aber im Endeffekt auch nur deshalb, weil sich die anderen Kandidaten durch unglückliche Aktionen selbst aus dem Rennen gekegelt haben. Natürlich kann man argumentieren, dass sie es gerade deshalb verdient hat, den Posten zu bekommen, weil sie sich eben immer richtig verhält und keinen Mist baut. Was Organisationstalent angeht, ist sie sicher auch wie geschaffen für diese Stelle, doch es fehlt ihr schlichtweg an Autorität. Sie besitzt bislang noch nicht das Selbstvertrauen und die Stärke, sich gegen ihre Kollegen durchzusetzen. Salopp ausgedrückt, verspeisen Alex und Cristina die gute April momentan noch zum Frühstück. Doch es kommt ja auch vor, dass Menschen an ihren Aufgaben wachsen.

Fazit & Ausblick

Eigentlich habe ich schon zu viel geschrieben, um jetzt auch noch eine Abschlussbetrachtung dranzuhängen. Kurz gesagt blicke ich der achten Staffel mit einer Mischung aus Frust und Neugier entgegen. Mein Bedarf an Meredith und Derek im Krisenmodus ist seit der vierten Staffel mehr als gedeckt, darauf freue ich mich also sicher nicht. Trotzdem will ich nicht ausschließen, dass die achte Season interessant werden könnte, zumal es möglicherweise die letzte Runde ist.

Maret Hosemann – myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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