Die besten Staffeln 2010/2011
Mad Men (Staffel 4)

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Wie gut, dass auf einige wenige Serien offenbar immer Verlass ist. Das mittlerweile längst zum Stammgast in dieser Rückblickskategorie gewordene AMC-Werbedrama "Mad Men" gab sich auch im vierten Jahr der Ausstrahlung keine Blöße und muss demnach weiterhin als genereller Maßstab für anspruchsvolle TV-Unterhaltung herhalten. Nach einer starken dritten Staffel und einem mehr als denkwürdigen Finale, in dem sowohl beruflich als auch privat so ziemlich alles über den Haufen geworfen worden war, fieberte die Anhängerschaft von Don Draper und Co. wohl keiner Episode so sehr entgegen wie dem Auftakt zur vierten Staffel. Spätestens als #4.01 Public Relations uns dann nach einem elfmonatigen Zeitsprung in den Herbst 1964 und die Räumlichkeiten der neu gegründeten Werbeagentur SCDP entführte, war klar, dass bei "Mad Men" ein angenehm frischer Wind weht. Für die Serienkonkurrenz galt angesichts dessen, und zwar vermutlich mehr denn je: Warm anziehen!

"I made a discovery as I slowly pulled back from the records: Although things are precarious, financially, it's been a magnificent year."

Foto: Elisabeth Moss, Mad Men - Copyright: Frank Ockenfels/AMC
Elisabeth Moss, Mad Men
© Frank Ockenfels/AMC

Es war in der Tat "magnificent", was uns von Serienmacher Matthew Weiner und seiner Crew in der vergangenen TV-Season geboten wurde. Nicht umsonst gilt die vierte Staffel in den Augen zahlreicher Fans und Kritiker als die bislang stärkste - und das will in Anbetracht der zuvor gezeigten Leistungen nun wahrlich etwas heißen. Wer etwa gedacht hatte, dass das turbulente letzte Geschäftsjahr bei Sterling Cooper an Brisanz nicht mehr zu überbieten war, wurde prompt eines Besseren belehrt. Denn auch in der neuen Agentur wusste der Büroalltag mit all seinen Höhen und Tiefen blendend zu unterhalten, von der erfolgreichen Kundenakquise, der unvergesslichen Weihnachtsfeier und dem Clio-Gewinn einerseits bis hin zu den missglückten PR-Maßnahmen, dem Verlust von Hauptkunde Lucky Strike und dem drohenden finanziellen Ruin andererseits. Es mag in der Theorie zwar weitaus spannendere Serienprämissen als die Geschehnisse in einer Werbeagentur der 1960er-Jahre geben, doch in der Praxis wurde hier erneut auf eindrucksvolle Weise das Gegenteil unter Beweis gestellt.

In puncto Charakterzeichnung wurde der thematische Schwerpunkt der Staffel schon mit den ersten gesprochenen Worten zum Ausdruck gebracht: "Who is Don Draper?" Diese Frage zog sich wie ein roter Faden durch die emotionale Achterbahnfahrt, die dem frisch geschiedenen Werbetalent bevorstand. Und so bekamen wir besonders in der ersten Staffelhälfte einen Don Draper zu sehen, wie wir ihn bislang noch nicht kannten: Überfordert in seiner neuen Rolle als hoffnungsloser Workaholic, frustrierter Single und planloser Wochenendvater, verfiel der einstmals so erfolgsverwöhnte Geschäftsmann zusehends dem Alkohol und warf dadurch viele seiner früheren Prinzipien (Stichwort "Allisongate") über Bord. Ironischerweise stellte dann ausgerechnet der absolute Tiefpunkt in Dons persönlicher Entwicklung - der tragische Verlust seiner engsten Vertrauten Anna - den unbestrittenen Höhepunkt der Staffel dar. Die darstellerische Leistung von Jon Hamm (aber auch von Kollegin Elisabeth Moss) in Episode #4.07 The Suitcase kann gar nicht überschwänglich genug gelobt werden. Aber auch Dons steiniger Weg zurück zur Normalität war geprägt von eindrucksvollen Momenten, von der nervenaufreibenden Panikattacke bis hin zur kontroversen Verlobung mit Sekretärin Megan im Finale.

Auf die vielen anderen, keinesfalls minder imposanten Handlungsstränge der vierten Staffel näher einzugehen, würde gewiss den Rahmen dieses Rückblicks sprengen. Erwähnt sei daher nur kurz der immens spannende Generationswechsel, der sich im letzten Jahr verstärkt durch den allmählichen Abstieg der alten Hasen (allen voran Roger Sterling und Bert Cooper) und den gleichzeitigen Aufstieg junger Talente wie Peggy Olson oder Highlight-Charakter Pete Campbell abzeichnete. Ebenso ließen sich auf die fortschreitende Entwicklung von Problemkind Sally Draper - weiterhin beeindruckend verkörpert von Jungschauspielerin Kiernan Shipka - wahre Lobeshymnen anstimmen. Und ja, auch an den üblichen WTF-Momenten mangelte es nicht (man denke an die Gehstockattacke auf Lane Pryce durch seinen intoleranten Vater oder an Betty Francis' verstörendes Gespräch mit Sallys Kinderpsychologin), ebenso wenig wie an den kleinen aber feinen Humor-Höhepunkten zwischendurch (insbesondere Rogers aufschlussreiche Memoiren und der Besuch der Japaner). Insgesamt wartete "Mad Men" somit auch im letzten Jahr wieder mit einem Komplettpaket an mitreißendem, cleverem und zudem verdammt stylischem Entertainment auf. Sollte sich daran in den kommenden Staffeln nichts Grundlegendes ändern, wird über diese Serie bestimmt noch viele Jahre nach ihrem Ende ehrfürchtig gesprochen werden.

Willi S. - myFanbase

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